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Wortatlas der kontinentalgermanischen Winzerterminologie

Leitung: Prof. Dr. Wolfgang Kleiber / Bearbeitung: Dr. Rudolf Steffens

Der Wortatlas der kontinentalgermanischen Winzerterminologie (WKW) ist der einzige interdisziplinäre und internationale Sprach- und Sachatlas der traditionellen europäischen Winzersprache deutscher Zunge. Er zeigt die europäischen Sprachen im kulturellen Austausch, im Westen seit der Römerzeit - also fast seit 2.000 Jahren. Nachdem das Unternehmen Ende 1996 abgeschlossen werden konnte und das Pfälzische Wörterbuch Ende 1997 mit der 50. Lieferung ebenfalls vollendet sein wird, ist die Erstellung eines dreibändigen "Wörterbuch der deutschen Winzerterminologie" geplant.

Motivation

Der Wortatlas der kontinentalgermanischen Winzerterminologie (WKW) will die durch sozialen, technischen und politischen Wandel im Umbruch begriffene, altüberlieferte europäische Weinbauernkultur deutscher Zunge zusammenfassend dokumentieren. Es ist eine Rettungsaktion der letzten Stunde, welche Sprach- und Kulturgüter künftigen Forschergenerationen offenhalten möchte. Er umfaßt neben den zentraleuropäischen Weinbauarealen auch noch (letztmalig) deutschsprachige Informanten aus heute ganz oder teilweise erloschenen, jahrhundertealten Sprachinseln in Südost- und Osteuropa.

Methode, Fragebuch

Der Atlas beruht auf einem Fragebuch von 400 Items zum Sprachbesitz und zur Sachkultur der traditionellen, bäuerlichen Weinbauernarbeit. Das Fragebuch ist hochdifferenziert und bezieht alle wichtigen Bereiche von der Botanik der Rebe bis zum fertigen Getränk, dem Wein, ein.

Spracherhebung, Gebiet

In langjähriger Arbeit wurden in 14 Staaten Europas (aus über 420 Orten bis 1985) fast 1.000 Winzer befragt und ihre Aussagen auf Tonband festgehalten. Insgesamt entfallen auf die ehemaligen deutschsprachigen Gebiete Zentraleuropas in Deutschland (inklusive ehemalige DDR), Frankreich, Luxemburg, Schweiz, Liechtenstein, Italien - Südtirol, ehemalige Tschechoslowakei, Österreich, Polen 273, auf die weitgehend aufgelösten deutschen Sprachinseln in Ost- und Südosteuropa, im ehemaligen Jugoslawien, der ehemaligen Sowjetunion, Ungarn, Rumänien 147 Sprachaufnahmen. Besonders die letzteren stellen einen nicht mehr einzuholenden Sprach- und Kulturbesitz für künftige Zeiten dar. Das Land Rheinland-Pfalz bewährt sich als Achse europäischer Weinbauernkultur und Weinbauernsprache. Die sprach- und sachkundlichen Erhebungen für den Atlas erstreckten sich von Ahr, Mosel und Saar bis in die Walliser Alpen, vom Neuenburger See (Schweiz) über das Burgenland in das Banat (Ungarn) und vom Karpatenbogen (Rumänien) bis zur Krim nach Transkaukasien (Tiflis). Das nördlichste Weinbaugebiet, früher deutscher Sprache, lag bei Grünberg in Schlesien, wo ein bekannt saurer Wein wuchs.

Beispielkarte

Das Unternehmen ist inzwischen abgeschlossen. Bei dem Atlas handelt es sich um ein großformatiges Lieferungswerk. Beigefügt sind Sach- und Sprachkommentare. Auf die Darstellung der Sachkultur wird größter Wert gelegt. Auf den Karten - jeweils ein West- und ein Ostblatt - erfolgt die Ortszuweisung der Sprachbelege durch Symbole, welche in den Legenden erklärt werden. [WAKa.bmp und WAKb.bmp] Die verkleinerte thematische Beispielkarte "Weinbergshüter" zerfällt in 3 Teilkarten (West I, Südost II, ehem. Sowjetunion III). Durch Symbole sind auf 420 Ortspunkten die Dialektbezeichnungen repräsentiert, die auf der Legende näher spezifiziert sind. Im Westen sind die Bezeichnungen Schütz, Hüter und Bannwart am verbreitetsten. In Südtirol heißt der Wächter Saltner (< lat. saltuarius "Förster") und an der Mosel Präter (< lat. pratuarius "Wiesenwächter"). Beide Male haben die deutschen Winzer die Bezeichnungen mit der Institution wohl schon in der Römerzeit übernommen. Ein wichtiges Zeugnis für die Kontinuität des Weinbaus! Im Osten sind die Bezeichnungen Hüter herrschend, doch zeigt sich auch hier der Sprach- und Kulturkontakt im Spiegel der Winzerterminologie. Ungarische Bezeichnungen wie kerülö, neben cs"osz, vereinzelt auch sz"ol"o"or bezeugen den sprachlichen und sachlichen Austausch zwischen deutschen und ungarischen Winzern. Der Betrachter der Karte III möge im äußersten Südosten die Reflexe der deutschen Winzersprache bei Tiflis in Transkaukasien beachten. Die Bezeichnung Schütz haben Auswanderer aus dem Neckarland um 1820 dorthin verpflanzt, bis 1941 die deutschen Siedler durch Stalin nach Mittelasien (Kasachstan) deportiert wurden. Deutsche Winzerschicksale im Spiegel der Sprache quer durch die Jahrhunderte!