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Beispielquelle: Ein Gau-Algesheimer Gerichtsurteil von 1417

 

Als my(n) gnedig(er) h(er)re die von Algeßheym umb ir zweyunge gutlichen entscheiden hait und daz furter zu halten.

Wir Johann etc. bekenne(n) etc. als von solicher spenne und zweyunge wegen, die etwie viel zijt in uns(er)m dorff Algesheim gewest sint zwuschen den scheffen und den gesworn uff eyne und der gemeynde da selbs uff die and(er)e sijte, der sie von beiden sijten uff uns kom(m)en und blieb(e)n sint, nemlich antreffende von ubrig(er) gesworner wegen, als die gemey(n)de meynet, die zu Algensh(eim) sient, und daz solich(er) großer koste uff sie gee, der dem dorff zu sw(er)e und kostlich(e)n sij, und des nit ertrage(n) moge und auch sust umb and(er)n gebreche und missehelunge, die zwuschen yne sint, also wie wir sie darumb entscheident, richtendt und ußwisent, daz sie das von beiden sijten also stede, veste und unv(er)brochelich halten und dar wiedd(er) numer gethun wollent ane alle geve(er)de und argelist. Des hab(e)n wir beyder p(ar)thien ansprach und antw(er)t umb die selb(e)n yre gebrechen, spenne und clage, die sie und(er)eyand(er) [!] und gegen-ey(n)and(er) gehabt und vor uns und uns(er) retten erczalt und vorgelacht hab(e)n, eyge(n)tliche(n) v(er)horet und v(er)nom(m)en. Und wan(n) wir nu soliche spenne und zweyunge von den uns(er)n nit g(er)n hab(e)n, so sin wir mit uns(er)n retten daruber geseßen und hab(e)n betracht und besonne(n), daz nicht beßer und bestentlichern freden brengen noch machen mag, dann ey(n)trechtikeit, und umb daz sie yne ey(n)trechtikeit unde freden dester baß belib(e)n und wesen mogen, so hab(e)n wir sie umb die selben spenne und zweyunge gutlich(e)n geseczet, gerichtet und entscheid(e)n in all(er) der wijse, als her nach geschr(ieben) steet: Zum ersten als von alterher in dem selben uns(er)m dorff Algesheim mit gewonheit her kom(m)en ist, daz sieb(e)n scheffen uß der gemey(n)de und sieb(e)n gesworne vo(n) d(er) gemeinde, die geseczet wurdent zu d(er) bedde und and(er)e uns(er)e und uns(er)s dorffs nucze und bestes zu besynne(n) und ußzurichten, also daz der zusamen nit me dann vierczeh(e)n sin soltent, und als es sich nu geschicket und gemacht hait, daz die zale der gesworn gemeret ist, da von die selbe uns(er)e gemey(n)de vast beswert sin in der maß als vorges(chrieben) stet, dar umb so entscheid(e)n, richten und seczen wir sie gutlich mit name(n) also, daz die gesworn alle genczlich(e)n abetred(e)n

Kommentar

Die Gemeindeordnung für Gau-Algesheim aus dem Jahr 1417 vermittelt wichtige Erkenntnisse über die Verfassung der Gemeinde, die Wahl und Zusammensetzung des Rates, der Bürgermeister etc. Ebenso bedeutsam aber ist die Gau-Algesheimer Quelle für die derzeit intensiv geführte Debatte um die Entstehung und Entwicklung landesherrlicher Städte. "Getarnt" in der Form eines Schiedsspruchs zwischen den streitenden Parteien, Rat und Gemeinde, verfügte der Mainzer Erzbischof mit ihr eine neue Ordnung, in der er unter anderem festlegte, daß Entscheidungen des Rates nur noch in Gegenwart des von ihm eingesetzten Kontrollbeamten getroffen werden durften.
So zeigt die Gau-Algesheimer Ordnung von 1417, wie ein Landesherr Ansätze städtischer Emanzipation in einer entscheidenden Phase der Formierung seines Territoriums blockierte und die Gemeinde in den entstehenden Flächenstaat integrierte.