Mainzer Aktien-Bierbrauerei

3. Januar 1859: Gründung der Brey'schen Aktienbierbrauerei

1872: Umbenennung in Mainzer Aktien-Bierbrauerei

1968: Übernahme der Aktienmehrheit an der MAB durch die Binding-Brauerei, Frankfurt

[Bild: Stadtarchiv BPS]

Das Bierbrauen in Mainz hat eine lange Tradition. [Anm. 1] Dabei waren bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts private Hausbrauereien in großer Zahl vorhanden – im Jahr 1858 bestanden in Mainz dreißig Bierbrauereien [Anm. 2] – bei denen das Getränk in der Braustube ausgeschenkt wurde, da es an Abfüll- und Kühltechniken mangelte, die das Bier hätten länger haltbar machen können. [Anm. 3]

Am 03. Januar 1859 wurde mit einem Startkapital von 600.000 Gulden die Brey'sche Aktienbierbrauerei gegründet. Gründer waren die Mainzer Geschäftsleute Johann Strigler, Abraham Mayer jr. und Wilhelm Boos. Da alle drei die Braukunst nicht beherrschten, fragten sie bei Ludwig Brey an, den damaligen Inhaber der Münchner Löwenbräu-Brauerei, der zum einen Baupläne für die neugegründete Brauerei lieferte, zum anderen die Überwachung des technischen Betriebs übernahm und gegen Gewinnbeteiligung in die Nutzung seines Namens einwilligte. [Anm. 4]

Zu dieser Zeit erfuhr die Stadt Mainz einen starken Bevölkerungszuwachs, dessen direkte Auswirkungen in Form einer steigenden Nachfrage nach Bier spürbar waren. Indirekt hatte dies außerdem zur Folge, dass Weinberge in Zentrumsnähe der wachsenden Bevölkerung weichen mussten, was wiederum zu einer Verknappung und somit zu einem Preisanstieg beim Wein führte, sodass die Menschen verstärkt auf die günstigere Alternative des Bieres zurückgriffen. [Anm. 5]

In den Jahren 1860-63 wurde die Aktienbierbrauerei auf dem Kästrich in Mainz errichtet. Das Gebiet, das im Zentrum der Stadt liegt, war damals erst kurz zuvor zur Bebauung freigegeben worden, sodass das Areal noch eine große Freifläche bot. Weitere Vorteile des Standortes waren sowohl die bereits vorhandenen Kelleranlagen, die von aufgegebenen kleinen Privatbrauereien stammten, als auch die guten Wasserquellen. Mit dem vierstöckigen Gebäude und der größtenteils drei- bis vierstöckigen Unterkellerung nahm die Brey'sche Aktienbierbrauerei gut drei Hektar Fläche ein. [Anm. 6]

Bereits während des Baus konnte im Jahr 1861 ein erster Ausstoß mit einer Jahresproduktion von knapp zwölftausend Hektolitern verbucht werden. [Anm. 7] In den ersten Jahren ihres Bestehens gelang es der Aktienbierbrauerei, kleine Privatbrauereien zu übernehmen, so beispielsweise das Brauhaus zum Gutenberg in der Franziskanerstraße, das Brauhaus Zum Täubchen in der Inselgasse und das Brauhaus Zum Schieferstein, dessen Existenz bis auf das Jahr 1568 zurückführbar ist. [Anm. 8]

Im Herbst des Jahres 1872 wurde die Brauerei in „Mainzer Aktien-Bierbrauerei“ (MAB) umbenannt. Ludwig Brey war damals aus der Firma ausgeschieden. [Anm. 9]

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts investierte die MAB in zwei technische Neuerungen: Zum einen wurde der „Eiserne Gustav“ in Betrieb genommen, ein Lastwagen, der das Mainzer Aktienbier auch in weiter entfernte Städte bringen konnte. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 6 km/h und der Einschränkung, z.B. in Wiesbaden nur zu bestimmten Zeiten fahren zu dürfen (in der Kurstadt war der überaus laute Motor besonders störend) dauerte der Transport von 15 hl auf der Strecke Mainz – Heidelberg zwei Tage und benötigte zwei Fahrer. [Anm. 10] Eine weitere Neuerung war eine Flaschenabfüllanlage, der sog. „trottoir roulant“ (dt.: rollender Bürgersteig), der ein Vorläufer des Fließbandes war. Während die Auslieferung des Biers vorher hauptsächlich in Fässern und „Zettelchesbier“ – hierbei bekamen die Flaschen eine Echtheitsmarke in Form eines Zettels, um sie von privaten Abfüllungen unterscheiden zu können – erfolgt war, konnte das Mainzer Aktienbräu fortan auch in Flaschen verkauft werden. [Anm. 11]

In den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts kam es in Jahren 1906 und 1908 zu einer zweimaligen Erhöhung der Biersteuer, sodass das Bier einen erheblichen Preisanstieg zu verzeichnen hatte. Der Verkauf brach ein, da der Ausschankwein den Kunden eine günstige Alternative bot. Der Erste Weltkrieg brachte einen zusätzlichen Einbruch des Geschäfts. Aufgrund fehlender Rohstoffe konnte nur noch Dünnbier hergestellt werden. Zur Eigenfinanzierung weitete die MAB den Verkauf auf Wein und nicht-alkoholische Getränke aus. [Anm. 12] Hinzu kam, dass knapp 200 Beschäftigte, was der Hälfte der Belegschaft entsprach, als Soldaten in den Krieg ziehen mussten. [Anm. 13]

Anlässlich des 50-jährigen Bestehens im Jahr 1909 brachte die Firma eine Broschüre heraus, in der technische Vorgänge detailliert beschrieben werden. In dieser nannte sich die MAB die größte Brauerei Westdeutschlands, da sie nicht nur ganz West- und Mitteldeutschland belieferte, sondern auch ins Ausland, nach Belgien, Holland und Frankreich, exportierte. [Anm. 14] Nach dem Krieg gelang es der MAB, das Auslandsgeschäft vor allem in Frankreich weiter zu intensivieren. Im Jahr 1927 wurde sogar ein eigener Ausschank in Paris eröffnet. [Anm. 15] 1933 musste dieses Geschäft jedoch wieder aufgegeben werden, denn die Weltwirtschaftskrise und die stetig steigende Biersteuer gingen auch an der MAB nicht spurlos vorüber, sodass 1932 keine Dividende ausgeschüttet werden konnte. [Anm. 16]

Im Zweiten Weltkrieg wurden beinahe alle überirdischen Lager durch Bombenangriffe zerstört, was für die Brauerei einen Schaden von acht Millionen Mark bedeutete. Nach dem Krieg ging der Wiederaufbau zunächst nur langsam voran, denn die Steuerbelastung war enorm. [Anm. 17] Erst im Laufe der 1950er Jahre stieg der Bierausstoß wieder kontinuierlich an. [Anm. 18]

Im Geschäftsjahr 1968/69 erwarb die Binding-Brauerei AG aus Frankfurt die Aktienmehrheit an der MAB. Die Binding-Brauerei war nach ihrer Gründung im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts seit 1953 im Besitz der Oetker-Gruppe. Sie hatte durch ihre Fusion mit der Hofbierbrauerei Schöfferhof in Mainz schon Kontakte in die Stadt.

Als Grund für die Übernahme kann der starke Wettbewerb angesehen werden. [Anm. 19] Dabei war in einem Beiblatt zum Geschäftsbericht des Jahres 1971 Folgendes zu lesen: „Aufsichtsrat und Vorstand ließen sich dabei vor allem von der Überlegung leiten, dass der Mainzer Braustätte in Verbindung mit Binding ansehnliche Entwicklungsmöglichkeiten offenstehen, dass sie aber auch gerade deswegen der langfristigen betriebs- und absatzwirtschaftlichen Sicherung bedarf.“ [Anm. 20] Doch bereits im Jahr 1983 fand die Brauerei auf dem Mainzer Kästrich ihr endgültiges Ende: Die Anlage wurde abgerissen, die Fläche verkauft und eine moderne Wohnanlage nahm den Platz der ehemaligen Mainzer Aktien-Bierbrauerei ein.

von Kim Krämer, April 2014

Anmerkungen:

  1. Für einen allgemeinen Überblick über die Geschichte des Bierbrauens in Mainz siehe: Frisch vom Fass. Geschichte des Bierbrauens in Mainz. Begleitband zur Ausstellung im Stadthistorischen Museum Mainz vom 15. Juni 2012 bis 3. Februar 2013, hrsg. von Hedwig Brüchert und Ute Engelen, Mainz 2012 (Schriftenreihe des Stadthistorischen Museums, Bd. 6). Zurück
  2. Vgl. Anton Schmitt (Hrsg.), Wegweiser nebst Handels- und Gewerbs-Adressbuch der Provinzial-Hauptstadt Mainz mit Gartenfeld, Zahlbach und Weisenauer Straße, Mainz 1857/58, S. 192f. Zurück
  3. Vgl. Hedwig Brüchert, Die Mainzer Aktien-Bierbrauerei, in: Frisch vom Fass, S. 47-56, hier S. 47. Zurück
  4. Für mehr Informationen zu Ludwig Brey siehe Wolfgang Behringer, Löwenbräu. Von den Anfängen des Münchner Brauwesens bis zur Gegenwart, München 1991. Zurück
  5. Vgl. Matthias Dietz-Lenssen, Kleine Mainzer Biergeschichte, in: Mainz. Vierteljahreshefte für Kultur, Politik, Wirtschaft, Geschichte 29 (2009), H. 1, S. 54-59, hier S. 57. Zurück
  6. Vgl. Brüchert, Die Mainzer Aktien-Bierbrauerei, S. 48. Zurück
  7. Vgl. Karl Schramm, Mainzer Gold im Glas. Die Geschichte der Mainzer Aktien-Bierbrauerei erzählt im Jahre ihres hundertjährigen Bestehens, hrsg. v. Mainzer Aktien-Bierbrauerei, Mainz 1959, S. 25. Zurück
  8. Vgl. ebd., S. 8. Zurück
  9. Vgl. Die Mainzer Aktien-Bierbrauerei, Mainz 1908, S. 3. Zurück
  10. Vgl. Schramm, Mainzer Gold im Glas, S. 19. Zurück
  11. Vgl. Dietz-Lenssen, Kleine Mainzer Biergeschichte, S. 58; Schramm, Mainzer Gold im Glas, S. 18. Zurück
  12. Vgl. Schramm, Mainzer Gold im Glas, S. 27. Zurück
  13. Vgl. Geschäftsbericht. Zurück
  14. Vgl. Mainzer Aktien-Bierbrauerei 1908, S. 10f. und 13. Zurück
  15. Vgl. Schramm, Mainzer Gold im Glas, S. 28. Zurück
  16. Vgl. Brüchert, Die Mainzer Aktien-Bierbrauerei, S. 53. Zurück
  17. Vgl. Geschäftsbericht MAB 1952/53. Zurück
  18. Vgl. Geschäftsbericht MAB 1953/54. Zurück
  19. Vgl. Geschäftsberichte MAB 1969/70 und 1971. Zurück
  20. Erläuterungen des Vorstands zur Tagesordnung der ordentlichen Hauptversammlung am 25. Mai 1972. Zurück