Rheindürkheim in Rheinhessen

Die Steinzeitgräber der Hinkelstein-Gruppe in Rheindürkheim

Winkelband-Keramiken des Hinkelstein-Typus. Funde von Carl Köhl 1898 aus Rheindürkheim (Nr. 2, 4, 7, 8, 14, 16) und Worms Rheingewann (restliche Nummern).[Bild: Carl Köhl, 1903]

Beim Bau der Eisenbahnbahn 1898 wurde in Rheindürkheim ein historisches Keramikgefäß gefunden und ins Wormser Museum gebracht. Der ehrenamtlichen Kurator des Paulus-Museums, der Geheime Sanitätsrat Dr. med. Carl Köhl (1847 - 1929) erkannte sofort, dass es sich um einen steinzeitlichen Fund handeln musste und besichtigte die Fundstelle.[Anm. 1] Er begann umgehend systematisch im Umfeld zu suchen. Nach und nach wurden insgesamt 32 neolithische Skelettgräber ausgegraben und wissenschaftlich ausgewertet.

Anhand der Rheindürkheimer Gräber mit ihren reichhaltigen Beigaben und Keramiken sowie weiteren Grabungen in Monsheim, Alzey und Worms-Rheingewann konstatierte Köhl eine Zugehörigkeit zur Winkelbandkeramik, einer abgrenzbaren steinzeitlichen Linienbandkeramik-Kultur, die er nach dem ersten Fundort in Monsheim als „Hinkelstein-Typus“ bezeichnete. Von anderen steinzeitlichen Gräbern unterscheiden sich diese Funde aus dem Wormser Raum durch eine strenge Ausrichtung mit dem Kopf nach Nordwesten. Die Skelette sind ausgestreckt auf dem Rücken liegend und keine Hockergräber.

Als Grabbeigaben traten schuhleistenförmige Keile, Flachbeile und durchbohrte Steinhämmer und Feuersteinmesser auf. Neben Pfeilspitzen aus Feuerstein fanden sich massenweise einheimische fossile Muscheln und Schneckengehäuse, die ebenso wie Hirschgrandeln als Arm- und Halsschmuck dienten. Die Frauengräber enthielten jeweils zwei Steine einer Handmühle. In Grab Nr. 6, einem besonders reichhaltigen Frauengrab, fanden sich auch zwei Spondylus-Schalen (Stachelauster), die nur in wärmeren Meeren vorkommen und frühe Fernhandelsbeziehungen belegen. Besonders bemerkenswert sind die zahlreichen Keramikgefäße mit markanten Zickzackbändern, die oft mit weißer Farbpaste gefüllt waren (Inkrustationsarbeiten). Diese erscheinen bis zu dieser Zeit nur am Oberrhein, besonders im Raum Worms, und werden als Winkelbandkeramiken bezeichnet.[Anm. 2] Interessant war auch die Beigabe von roten Farbklumpen, die zur Körperbemalung dienten.[Anm. 3]

 

Informationstafel der Ortsgeschichtlichen Arbeitsgemeinschaft Rheindürkheim mit symbolischem Stein in der Donaustraße.[Bild: Klaus Harthausen]

Die Grabfunde, die später von Meier-Arendt auf 5000 bis 4800 v. Chr. datiert wurden, belegen, dass der weniger hochwassergefährdete Ortskern von Rheindürkheim schon sehr früh dauerhaft besiedelt war. Der Archäologe Walter Meier-Arendt macht in seiner Habilitationsschrift 1975 den Versuch, im Zusammenhang mit den vorgefundenen Gräberfeldern eine ungefähre Anzahl der in einer Siedlung lebenden Menschen zu ermitteln. Er kam zu dem Ergebnis, dass ca. 60 Personen ein Dorf besiedelt haben mussten.

An die Ausgrabungen erinnert eine Tafel, die 2012 von der Ortsgeschichtlichen Arbeitsgemeinschaft in der Donaustraße aufgestellt wurde.

Nachweise

Autor: Klaus Holzhausen

Verwendete Literatur:

  • Köhl, Carl: Neue prähistorische Gräberfelder bei Wachenheim und bei Rheindürkheim in Rheinhessen. Nachr. über deutsche Altertumsfunde 9, 1898, S. 45-47.
  • Köhl, Carl: Neue steinzeitliche Gräberfelder bei Worms, In: Correspondenz-Blatt der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft Nr. 12 (1898), S. 146-157.
  • Köhl, Carl: Neue Stein- und frühmetallzeitliche Gräberfunde bei Worms. In: Correspondenz-Blatt der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft Nr. 11-12 (1900), S. 137–142.
  • Köhl, Carl: Die Bandkeramik der steinzeitlichen Gräberfelder und Wohnplätze in der Umgebung von Worms. Festschrift zu 34. Allgemeinen Versammlung der Deutschen Anthropologlogischen Gesellschaft. Worms 1903.
  • Meier-Arendt, Walter: Die Hinkelstein-Gruppe. Der Übergang vom Früh- zum Mittelneolithikum in Südwestdeutschland. Röm.-Germ. Forschungen Bd. 35. Berlin 1975.

Erstellt am: 31.03.2021

 

Anmerkungen:

  1. Köhl (1898 b) S. 147. Zurück
  2. Köhl (1898 b), S. 151f und Köhl (1903), S. 11-23. Zurück
  3. Köhl (1898 b), S. 153. Zurück