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Völkermühle Europas. Migrationen an Rhein und Mosel

Vortragsreihe Januar-März 2014

Der in Nackenheim (Rheinhessen) geborene Schriftsteller Carl Zuckmayer (1896 – 1977) prägte in seinem Werk Des Teufels General die Metapher von der Völkermühle Europas. Die General Harras,d er Hauptfigur in diesem Stück in den Mund gelegten Äußerungen (Vom Rhein. Von der großen Völkermühle. Von der Kelter Europas!), rufen jene zahlreichen Personen, Gruppen und Völker in Erinnerung, welche entlang der Flussachsen von Rhein und Mosel im Laufe der Jahrhunderte siedelten und die dortige Kultur mit prägten: römische Soldaten und Händler, fränkische Adelige; jüdische Gelehrte, italienische Pomeranzenhändler und Künstler, französische Offiziere und Architekten, italienische Pizzabäcker, türkische und portugiesische Fabrikarbeiter und Gemüsehändler, polnische Erntearbeiter.

Migrationen werden derzeit als eine von möglichen „Anker‐ und Fluchtpunkten“ einer allgemeinen europäischen Erinnerungskultur diskutiert, allerdings ist diese Diskussion auf die Überprüfung von lokalen und regionalen Befunden angewiesen. Gerade im Rhein‐Maingebiet ist die Zahl der Menschen, die über einen so genannten Migrationshintergrund aufweisen, sehr hoch. Zuckmayers
Metapher suggeriert eine besondere Intensität von Migrationen im rheinisch-moselländischen Raum, welche durch unterschiedliche (kriegerische, religiöse, politische, soziale, wirtschaftliche) Faktoren ausgelöst wurden, nicht erst für die Gegenwart sondern auch für die Vergangenheit.
In der Vortragsreihe geht es nicht nur um (ausgewählte) Migrationsabläufe und die mit ihnen einhergehenden kulturellen Prägeprozesse. Von Interesse sind vielmehr auch Deutungsprozesse solcher Vorgänge, zeitgenössische Interpretationen und ethnische Zuschreibungen ebenso wie später (wie von Carl Zuckmayer) geschaffene Konstrukte. In diesen variantenreichen und bisweilen konträren Erzählungen werden identitätsstiftende Elemente menschlicher Gemeinschaften deutlich.
Das vom IGL gewählte Thema ist in besonderer Weise geeignet, ein Grundanliegen der Arbeit des Instituts deutlich werden zu lassen, nämlich die Erforschung und Vermittlung lokaler und regionaler historischer Phänomene im europäischen Kontext. Zugleich gestattet die epochenübergreifend und interdisziplinär ausgerichtete Veranstaltungsreihe die Diskussion kulturhistorischer Fragestellungen.

Die Vorträge im Einzelnen:

  • Donnerstag, 16. 1. 2014, 19:00 Uhr (Haus am Dom):
    Germanen und Römer am Mittelrhein (Prof. Dr. Marietta Horster/ Arno Braun, Mainz)
    Vom  4.-6. Jahrhundert n. Chr. scheint die Welt auf den Kopf gestellt. Der Siegeszug des Christentums ist dabei nur ein Faktor, der Rückzug der Römer aus vielen römischen Gebieten ein anderer, ganz zentraler für den politischen Raum und die Lebensqualität seiner Bewohner. Köln wurde schon 350 von den Franken belagert und größtenteils zerstört, Mainz um 406/7 überrannt, das Verwaltungszentrum von Trier kurz danach in den Westen nach Arles verlegt. Trier fiel dann 470 endgültig an die Franken, zu dieser Zeit hatten die Iuthungen Augsburg und Rätien längst eingenommen.
    Franken, Alamannen, Burgunder, Iuthungen und einige andere Stämme werden für die Region um Mainz und den Mittelrhein in den schriftlichen Quellen genannt. Sie werden die neuen Herren in einem Raum, in dem schon zuvor Menschen lebten, die ihrerseits überwiegend germanische oder keltische Wurzeln hatten. Dazu kamen Bewohner, die aus allen Teilen des Römischen Reiches stammen konnten und sich, häufig nach langen Dienstzeiten als Soldat, in den Provinzen am Rhein niedergelassen hatten. Auch wenn die meisten dem Rechtstatus nach Römer waren, handelte es sich doch keineswegs um eine einheitliche Bevölkerung.
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  • Donnerstag, 30. 1. 2014, 19:00 Uhr (Haus am Dom):
    Romanen, Franken, Alemannen und... wer blieb und wer kam in der "Völkerwanderung" in unser Land hinzu? (Prof. Dr. Franz J. Felten, Mainz)
  • Donnerstag, 6. 2. 2014, 19:00 Uhr (Haus am Dom):
    Jüdische Migration in den mittelalterlichen Rheinlanden: Motive, Wege, Schicksale (Dr. Matthias Schmandt, Bingen)
    Die berühmte Metapher von der rheinischen „Völkermühle“ charakterisiert unsere Region auch als uraltes jüdisches Siedlungsgebiet: Tatsächlich sind die mit den mittelalterlichen SCHUM-Gemeinden Mainz, Worms und Speyer verbundenen Traditionen von weltgeschichtlicher Bedeutung. Doch wann und von woher kamen ihre „Gründerväter“ ins Land? Und was bedeutete Unterwegssein für die jüdischen Rheinländer der folgenden Jahrhunderte?

    In seinem Vortrag Jüdische Migration in den mittelalterlichen Rheinlanden: Motive, Wege, Schicksale am 06. Februar um 19 Uhr im Haus am Dom begibt sich Dr. Matthias Schmandt auf die Spuren der jüdischen Migration an Rhein und Mosel im Mittelalter. Ein Fokus liegt dabei auf den individuellen Lebenswegen der jüdischen Bevölkerung in der Region.
    Dr. Matthias Schmandt ist Leiter des Historischen Museums am Strom in Bingen. Sein Vortrag bildet den offiziellen Kooperationsbeitrag des Museums zur diesjährigen Vortragsreihe „Völkermühle Europas – Migrationen an Rhein und Mosel“ des Instituts für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e. V.

  • Donnerstag, 13. 2. 2014, 18:00 Uhr (!) (Achtung, Änderung! Mainz, Erbacher Hof, Ketteler-Saal):
    Carl Zuckmayer: Völkermühle Europas (Prof. Dr. Gunther Nickel, Mainz)
    Im Anschluss: "Mit Zuck in den grünen Bergen"
    Christine Eckert und Günter Beck lesen aus Texten von Carl Zuckmayer und Alice Herdan-Zuckmayer, musikalisch begleitet von Bastian Dünges, Florian Werther und Stefan Müller
    Von der „Völkermühle Europas“ spricht der General Harras in Carl Zuckmayers Theaterstück „Des Teufels General“, und er meint das nicht im geringsten abschätzig, denn schließlich habe diese Völkermühle einen Goethe genauso hervorgebracht wie einen Beethoven. Hat Harras´ Plädoyer als Antwort auf den Rassismus der Nationalsozialisten viel Charme und Witz, so zeigt sich jedoch in einem anderen Kontext, dass es Schwierigkeiten ausblendet, die mit Migrationsbewegungen immer auch verbunden sind.
    Vor diesem Hintergrund, der eine aktuelle politische Diskussion berührt, unterzieht Prof. Dr. Gunther Nickel Zuckmayers Erzählung „Die Fastnachtsbeichte“ am 13.02.2014 um 18 Uhr im Ketteler-Saal im Erbacher Hof (Mainz) einer erneuten Lektüre und Interpretation. Dabei gilt sein Blick unter anderem den immer stärker zusammenrückenden EU-Mitgliedsstaaten sowie personalen, lokalen, regionalen und nationalen Identitätsfragen. 
    Im Anschluss an den Vortrag lesen Christine Eckert und Günter Beck aus Texten von Carl Zuckmayer und Alice Herdan-Zuckmayer. Bastian Dünges, Stefan Müller und Florian Werther begleiten die Lesung musikalisch.
  • Donnerstag, 20. 2. 2014, 19:00 Uhr (Landesmuseum Mainz):
    "Europäischer Binnenmarkt" in der Frühen Neuzeit: Netzwerke italienischer Händler zwischen Rhein, Main und Mosel (Dr. Christiane Reves, Beer Sheva, Israel)
    Dr. Christiane Reves begibt sich in Ihrem Vortrag „Europäischer Binnenmarkt“ in der Frühen Neuzeit:Netzwerke italienischer Händler zwischen Rhein, Main und Mosel am 20. Februar um 19 Uhr im Landesmuseum Mainz auf die Spuren italienischer Spezereihändler, die trotz aller Hindernisse in der Frühen Neuzeit in den deutschen Landen erfolgreich Handel trieben.
    Entlang von Rhein, Main und Mosel -  drei wichtigen europäischen Verkehrsadern-  etablierten sich diese Spezereihändler in kurfürstlichen Zentren wie Mainz, freien Reichsstädten aber auch kleineren Ortschaften. Mainz war für die katholischen Händler besonders attraktiv, da die Kurfürsten ihre Ansiedlung favorisierten, um die Stadt in Konkurrenz zu Frankfurt als Handelsknotenpunkt zu stärken. Im Alter kehrten einige wieder zurück an den Comer See, viele blieben jedoch und wurden Teil der Gesellschaft; unter ihnen Mitglieder der Familie Brentano, deren bekannteste Nachfahren der Dichter der deutschen Romantik, Clemens von Brentano, sowie der erste deutsche Außenminister unter Konrad Adenauer, Heinrich von Brentano, sind.
  • Dienstag, 25. 2. 2014, 19:00 Uhr (Haus am Dom):
    Zuwanderung nach Rheinland‐Pfalz. Die Beispiele Ludwigshafen und Mainz (Dr. Ute Engelen, Mainz)
    Die Arbeitsmigranten der frühen Bundesrepublik, vielen noch unter dem Begriff Gastarbeiter bekannt, prägten wie kaum eine andere Gruppe die Vorstellung von Deutschland als Einwanderungsland. In den 1950er Jahren aufgrund des Arbeitskräftemangels von der BRD angeworben, zogen nach der Aufhebung der zeitlichen Befristung bald auch Familienangehörige nach und ließen sich langfristig nieder.

    Dabei war auch das Bundesland Rheinland-Pfalz von dieser Entwicklung geprägt. Dr. Ute Engelen zeichnet in ihrem Vortrag Zuwanderung nach Rheinland-Pfalz. Die Beispiels Ludwigshafen und Mainz am Dienstag, 25. Februar um 19 Uhr im Haus am Dom (Mainz) die zweite Welle der Einwanderung , nämlich die Arbeitsmigration und den damit verbun­denen Familiennachzug von der Mitte der 1950er bis Anfang der 1980erJahre, nach. Dabei nimmt sie im Besonderen die Migrationsentwicklung in den Städten Ludwigshafen und Mainz sowie die dort ansässigen Industriebetriebe BASF und Schott in den Blick.
    Dr. Ute Engelen ist seit 2012 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e.V. Ihre deutsch-französische Dissertation zu dem Thema „Die betriebliche Sozialpolitik von Volkswagen und Peugeot von 1944 bis 1979“ schloss sie 2011 ab.

  • Dienstag, 11.3.2014, 19.00 Uhr (Plenarsaal des Landtags RLP):
    Begrüßung - Landtagspräsident Joachim Mertes
    Vorstellung: "Migrationsbericht Mainz" - Prof. Dr. Anton Escher, Katharina Alt M.A.
    Vorstellung: "Lebenswege, das Migrationsmuseum Rheinland-Pfalz im Internet" - Katharina Drach (MIFKJF)
    Gesprächsrunde: Ministerin Irene Alt (MIFKJF), Prof. Dr. Anton Escher, MdL Dieter Klöckner (angefragt), Prof. Dr. Dietrich Thränhardt (angefragt), zwei Zeitzeugen, Moderation: Miguel Vicente

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Kooperationspartner:

  • Erbacher Hof, Akademie & Tagungszentrum des Bistums Mainz
  • Generaldirektion Kulturelles Erbe, Direktion Landesmuseum Mainz
  • Johannes Gutenberg‐Universität Mainz, Historisches Seminar, Arbeitsbereiche Alte Geschichte sowie Mittlere und Neuere und Vergleichende Landesgeschichte
  • Museum am Strom, Bingen
  • Landtag Rheinland‐Pfalz bzw. Kommission für die Geschichte des Landes Rheinland‐Pfalz
  • Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen