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Mittelrheinischer Sprachatlas

Leitung: Prof. Dr. Günter Bellmann, Prof. Dr. Joachim Herrgen, Prof. Dr. Jürgen Erich Schmidt

Der MRhSA ist ein Laut- und Formenatlas. Er untersucht die sprachlichen Raumstrukturen im linksrheinischen Gebiet von Rheinland-Pfalz sowie im Saarland. Als erster Atlas in Europa setzt er die Sprach- und die Sozialstruktur sprachareal systematisch zueinander in Beziehung. Das  Projekt wurde seit 1983 durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert.

Das Konzept

Als erster Sprachatlas in Europa untersucht der im Jahre 2002 zum Abschluß gebrachte MRhSA die sprachlichen Strukturen seines Untersuchungsgebietes sowohl hinsichtlich ihrer arealen Erstreckung als auch hinsichtlich ihrer sozialen Differenziertheit. Zu diesem Zweck setzt der MRhSA die diatopisch-horizontale und die diastratisch-vertikale Variationsdimension der Sprache systematisch zueinander in Beziehung. Dieser zweidimensionale Ansatz – so hat sich gezeigt – erlaubt es, die Zusammenhänge zwischen sprachlicher Raumstruktur und Sozialstruktur aufzudecken.

Auf Grund seiner zweidimensionalen Ausrichtung berücksichtigt der MRhSA Sprachdaten zweier soziodemographisch unterschiedener Sprechergruppen. In einer Aufnahmeserie 1 wurde die sprachliche Grundschicht (Basisdialekt), repräsentiert durch über siebzigjährige, ortsgebürtige und ortsimmobile Probanden mit ehemals manueller Berufstätigkeit, erhoben. Eine Aufnahmeserie 2 lieferte das Sprachmaterial für ebenfalls ortsgebürtige und manuell tätige Informanten, die sich jedoch hinsichtlich Lebensalter (dreißig bis vierzig Jahre) und Ortsmobilität (Berufsnahpendler) von der Serie 1 unterschieden.

Der MRhSA ist ein Laut- und Formenatlas, d. h. er stellt auf Lautkarten die phonetischen und auf Formenkarten die morphischen Raumstrukturen des Erhebungsgebietes dar.

Das Arbeitsgebiet

Das Arbeitsgebiet des MRhSA erfaßt die westlichen Teile des Mosel- und Rheinfränkischen in einem Areal, das geographisch im Norden von der Ahr, im Süden von der Wieslauter, im Osten vom Rhein und im Westen von der Staatsgrenze zu Frankreich, Luxemburg und Belgien begrenzt wird. Verwaltungspolitisch umfaßt die Fläche den linksrheinischen Teil von Rheinland-Pfalz sowie das Saarland.

Das Arbeitsteam

Initiator: Prof. (em.) Dr. G. Bellmann; Projektleiter: Prof. (em.) Dr. G. Bellmann, später auch Prof. Dr. J. Herrgen, Prof. Dr. J. E. Schmidt; Mitarbeiter: Dr. G. Drenda, B. Flörsch, Privatdozent Dr. H. Girnth, Dr. M. Klenk, Dr. Ch. Steiner sowie 28 studentische Hilfskräfte

Die Sprachdatenerhebung

Die Exploration der Sprachdaten erbrachte 841 lokale Sprachaufnahmen – 549 für Serie 1 und 292 für Serie 2 –, wobei auch die großen Städte Berücksichtigung fanden. Die beiden Hauptexploratoren, Dr. G. Drenda (411 Sprachaufnahmen) und Dr. E. H. Schmitt (273 Sprachaufnahmen), legten bei ihren Explorationsfahrten eine Gesamtstrecke von fast 215.000 km zurück. An den mehrstündigen Gruppeninterviews mit durchschnittlich drei Informanten pro Sitzung nahmen insgesamt 2.510 Gewährspersonen teil, wobei 1.680 auf Aufnahmeserie 1 und 830 auf Aufnahmeserie 2 entfielen. Die Sprachdatenfixierung erfolgte bimedial durch phonetische Notation in ein Fragebuch mit mehr als 1.000 Stichwörtern für Serie 1 und 440 Stichwörtern für Serie 2 sowie durch Schallaufzeichnung, für die die BASF, Ludwigshafen, durch eine großzügige Spende das Tonbandmaterial zur Verfügung stellte. Auf diese Weise entstand ein Tonarchiv mit ca. 2.300 Stunden Aufnahmezeit.

Die Sprachdatenauswertung

In einer ersten – manuellen – Bearbeitungsphase wurden nach der Methode der Punkt-Originalform-Kartierung Rohkarten zum Vokalismus der Stammsilben erstellt. Insgesamt kamen 1.063 Rohkarten der Datenserie 1 und 435 Rohkarten der Datenserie 2 zustande. In einem zweiten Arbeitsabschnitt erfolgte die computative Weiterbearbeitung der Rohkarten zu Punkt-Symbol-Karten mit einer eigens entwickelten Software. Die Zahl der in den Rechner eingegebenen Vokalismuskarten beträgt 903, davon entfallen 587 auf Serie 1 und 316 auf Serie 2. Bei der Erschließung des Konsonantismus und der Morphologie konnte wegen der Überschaubarkeit des auszuwertenden Sprachmaterials auf eine Rohkartierung verzichtet werden. Die erhobenen Daten wurden direkt von den Fragebüchern in den Computer eingegeben. Die Gesamtzahl der erzeugten Konsonantismuskarten beläuft sich auf 942 mit folgender Verteilung: 574 Karten zur Aufnahmeserie 1 und 368 Karten zur Aufnahmeserie 2. Die abschließende rechnergestützte Erfassung der Morphologie des Arbeitsgebietes erbrachte 728 Karten. Nach Abschluß der Dateneingabe lagen insgesamt 2.573 als Manuskriptversion ausgeplottete Sprachkarten vor. Die für die Publikation vorgesehenen Karten wurden in einem weiteren Arbeitsgang zu druckreifen Vorlagen bearbeitet.

Der Publikationsumfang

Im Jahr 1994 erschien neben dem von G. Bellmann verfaßten Einleitungsband der erste Kartenband, der neben 13 Vorkarten 115 Sprachkartenblätter zu den Diphthongen des mittelhochdeutschen Bezugssystems enthält. Die Gesamtzahl der Sprachkarten setzt sich aus 75 Basisblättern (Dialekt der Serie 1) und 40 Kontrastblättern (Dialekt der Serie 1 und Serie 2 in kontrastiver Gegenüberstellung auf einer Doppelkarte) zusammen. Der zweite Band wurde 1995 publiziert. Er umfaßt 135 Sprachkarten (89 Basisblätter und 46 Kontrastblätter) zum mittelhochdeutschen Langvokalismus. Es folgte 1997 Kartenband 3 mit 219 Kartenblättern (136 Basisblätter und 83 Kontrastblätter) zum mittelhochdeutschen Kurzvokalismus, Nebensilbenvokalismus und zu den Sproßvokalen. Kartenband 4, der 1999 erschien, enthält 272 Sprachkarten (164 Basisblätter und 108 Kontrastblätter) zum westgermanischen Konsonantismus, zu den Sproßkonsonanten sowie eine zusammenfassende Einzelkarte zur Dialektalität. Der fünfte Band, der die Morphologie des Arbeitsgebietes dokumentiert, erschien 2002. Der Kartenband ist mit 311 Karten der umfangreichste. Er besteht aus zwei Vorkarten zum dialektologischen Forschungsstand und zu Strukturgrenzen im Westmitteldeutschen sowie 204 Basisblättern und 105 Kontrastblättern zur Morphologie. In den fünf Bänden des MRhSA wurden somit insgesamt 1.065 Karten publiziert. Im Rahmen des MRhSA-Projektes entstanden zahlreiche dialektologische Spezialuntersuchungen zu Einzelproblemen, die teils publiziert (Aufsätze, Dissertationen, eine Habilitationsschrift), teils unveröffentlicht (Staatsexamens- und Magisterarbeiten) vorliegen.

Der MRhSA verfügt über eine eigene Homepage, auf der Sie sich weiter informieren können.

Das Atlaswerk

Bellmann, Günter: Einführung in den Mittelrheinischen Sprachatlas (MRhSA). Tübingen 1994

Bellmann, Günter/ Herrgen, Joachim/ Schmidt, Jürgen Erich, unter Mitarbeit von Georg Drenda: Mittelrheinischer Sprachatlas (MRhSA). Band 1: Vorkarten. Vokalismus I (Diphthonge des mittelhochdeutschen Bezugssystems). Tübingen 1994

Bellmann, Günter/ Herrgen, Joachim/ Schmidt, Jürgen Erich, unter Mitarbeit von Georg Drenda und Heiko Girnth: Mittelrheinischer Sprachatlas (MRhSA). Band 2: Vokalismus II (Langvokale des mittelhochdeutschen Bezugssystems). Tübingen 1995

Bellmann, Günter/ Herrgen, Joachim/ Schmidt, Jürgen Erich, unter Mitarbeit von Georg Drenda und Heiko Girnth: Mittelrheinischer Sprachatlas (MRhSA). Band 3: Vokalismus III (Kurzvokale des mittelhochdeutschen Bezugssystems. Vokale in Nebensilben. Sproßvokale). Tübingen 1997 

Bellmann, Günter/ Herrgen, Joachim/ Schmidt, Jürgen Erich, unter Mitarbeit von Georg Drenda und Heiko Girnth: Mittelrheinischer Sprachatlas (MRhSA). Band 4: Konsonantismus (Dialektalität. Konsonanten des westgermanischen Bezugssystems. Sproßkonsonanten). Tübingen 1999

Bellmann, Günter/ Herrgen, Joachim/ Schmidt, Jürgen Erich, unter Mitarbeit von Georg Drenda, Heiko Girnth und Marion Klenk: Mittelrheinischer Sprachatlas (MRhSA). Band 5: Morphologie (Forschungsstand. Strukturgrenzen. Morphologische Karten. Register). Tübingen 2002

Rezensionen zum MRhSA

Werner H. Veith in: PBB 118. 1996, S. 90-98.

Elvira Glaser in: Beiträge zur Namenforschung 32. 1997, S. 341-349.

Jan Goossens in: Leuvense Bijdragen 86. 1997, S. 168-174.

Jürgen Macha in: Germanistik 38. 1997, S. 406.

Peter Wiesinger in: Kratylos 43. 1998, S. 159-165.

Robert Hinderling in: Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik 67. 2000, S. 343-348.

Jürgen Macha in: Germanistik 43. 2002, S. 638.

 

Linktipp

Internetseite des Projektes "Mittelrheinischer Sprachatlas (MRhSA)"