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Geschichtliche Landeskunde - Band 46

Kriegsende und Neubeginn. Westdeutschland und Luxemburg zwischen 1944 und 1947.

7. Alzeyer Kolloquium 1995. Hrsg. von Kurt Düwell und Michael Matheus. Stuttgart 1997. 258 Seiten, geb. (Sonderpreis für Mitglieder: € 5,-/Sonderpreis für Nicht-Mitglieder: € 7,50,-).

Die unmittelbare Nachkriegssituation war neben den kriegsbedingten Zerstörungen in Stadt und Land und den Entbehrungen der Bevölkerung auch durch den Wechsel der Militärverwaltungen gekennzeichnet. Die Zonengrenzen wurden dabei immer mehr zu wirtschaftlichen Trennlinien, zugleich auch zu einem Hindernis für die Mobilität der Bevölkerung.

Der Band beleuchtet diese Probleme vor allem für den pfälzischen, den rheinhessischen und den nördlich angrenzenden rheinischen Raum. Er ist ein wertvoller Beitrag zur Erforschung der ersten Nachkriegszeit - ein bisher in der landesgeschichtlichen

Einführung

Im Unterschied zum Kriegsende vom Herbst 1918, als das deutsche Heer noch einen geordneten Rückzug an der Westfront organisieren konnte, war der deutsche militärische Zusammenbruch 1945 nicht nur im Westen des Reiches ein heilloses Chaos. Auf den Landstraßen im Pfälzer Wald und im Hunsrück, dann auch in der Eifel, türmten sich zerschossene deutsche Fahrzeuge und machten jeden Verkehr und den Rückzug der deutschen Truppen fast unmöglich. Die amerikanischen Panzer konnten auf Seitenwegen die auf den Straßen steckenbleibenden deutschen Einheiten überholen, zum Rhein vorstoßen und von Oppenheim aus nach Norden hin die sich mühsam absetzenden deutschen Truppen noch vor Erreichen des Rheins stellen und gefangennehmen.

Die vorrückenden amerikanischen Truppen schufen in den besetzten deutschen Städten, Gemeinden und Landkreisen eine erste vorläufige neue Verwaltung, indem sie Nazi-Bürgermeister und -Landräte entließen und durch andere politische Kräfte und Beamte ersetzten. Dies geschah in der ersten frühen Zeit (April bis Juli 1945) nicht immer nach einheitlichen Grundsätzen, wie das besonders herausragende Beispiel der Einsetzung des Oberbürgermeisters Oppenhoff schon 1944 in Aachen zeigte. Auch verhielten sich die einrückenden kämpfenden Truppen gegenüber der deutschen Zivilbevölkerung vielfach konzessions- und gesprächsbereiter als die nachrückenden Etappeneinheiten, die das Fraternisierungsverbot der Direktive JCS 1067 meist viel strikter befolgten als die ersten einrückenden Eroberer. Sie begegneten der deutschen Bevölkerung oft mit abweisender Härte, ganz im Sinn jener Direktive. Wen die Amerikaner jedoch in der lokalen und regionalen deutschen Verwaltung für unbelastet hielten, den beließen sie meist im Amt. Und insofern dann, besonders auf der lokalen Ebene der Gemeinden – ob mit oder ohne Auswechslung der Bürgermeister und Ortsvorsteher – die Verwaltung fast ohne Unterbrechung weiterarbeitete, gab es hier eine Kontinuität des deutschen Staates auf seiner unteren Ebene. Die oberste Gewalt in Deutschland ging jedoch mit der Berliner Erklärung der vier alliierten Mächte vom 5. Juni 1945 auf die vier Siegermächte bzw. dann auf den Alliierten Kontrollrat über. Besonders im Westen des Reiches, mit dessen Lage am Ende des Zweiten Weltkriegs sich die Beiträge dieses Bandes befassen, wurden schon im Frühjahr 1945 die Grundlagen der künftigen deutschen Ordnung von den Amerikanern gelegt, bevor dann Briten und Franzosen die ihnen in Jalta im Februar 1945 bzw. in den darauf folgenden interalliierten Abmachungen zugewiesenen Besatzungszonen endgültig besetzten und z.T. neu ordneten. Die Hauptprobleme in der unmittelbaren Nachkriegszeit lagen für die lokale und regionale Verwaltung in der Rückführung der besonders aus den Großstädten und aus den Kampfgebieten im Westen evakuierten Bevölkerung, in der dringendsten Nahrungsmittelversorgung und in der gerechten Verteilung des noch vorhandenen, von den Luftangriffen der Alliierten nicht zerstörten Wohnraums. An diesen Aufgaben wurden von der Besatzungsmacht auch die Leistungen der neu eingesetzten deutschen Kommunalpolitiker gemessen. Schon Anfang März 1945 war in Trier der Direktor des Bürgervereins, Friedrich Breitbach, von Oberstleutnant Speaks (10. Amerikanische Panzerdivision) zum Oberbürgermeister eingesetzt worden. Seine Aufgabe bestand vor allem darin, die 1945/46 täglich 300-400 zurückkehrenden Menschen zu versorgen und geordnete Verhältnisse in der Stadt zu schaffen. An diesen Aufgaben wurden die Bürgermeister von der Besatzungsmacht gemessen. Diese hat die Schwierigkeiten solcher Aufgaben nicht immer hinreichend berücksichtigt und einen verdienten Oberbürgermeister wie Dr. Rudolf Walther in Mainz wieder entlassen. Der französische Militärgouverneur Bouley fand im August 1945, daß er bei einem Besuch in Mainz "noch dieselben Steine auf der Straße angetroffen habe wie zwei Monate zuvor".

Daß eine solche Aufgabe angesichts riesiger Trümmerberge in den Städten nicht ohne weiteres zu lösen war, zeigte sich in ähnlicher Weise in Köln, wo von 58.000 Häusern, die die Stadt vor dem Krieg zählte, nicht einem 400 den Krieg unbeschädigt überstanden hatten. Brigadier Barraclough, der Leiter der örtlichen britischen Militärregierung, der Köln am 21. Juni 1945 von den Amerikanern übernommen hatte, setzte schon am 6. Oktober Bürgermeister Konrad Adenauer wieder ab, weil der, wie die noch von den Amerikanern gegründete Zeitung "Kölnischer Kurier" schrieb, bei der Durchführung der Politik der Militärregierung nicht die genügende Energie gezeigt habe, insbesondere nicht im Zusammenhang mit dem Bau von Unterkünften für die Bevölkerung als Schutz vor dem kommenden Winter. Am gleichen Tag wurde übrigens auch der Oberpräsident der Nordrhein-Provinz, Johannes Fuchs, von den Engländern wegen angeblicher Unfähigkeit abgesetzt. In diesen und einigen anderen ähnlich gelagerten Fällen wurde durch solche Entlassungen von der Besatzungsmacht zum Teil versucht, die Schuld an den Unzulänglichkeiten bei der Versorgung der Bevölkerung der deutschen Seite zuzuweisen.

Dies sind nur einige der Probleme der unmittelbaren Nachkriegszeit, mit denen sich dieser Sammelband der Alzeyer Tagung des Mainzer "Instituts für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz" von 1995 befaßt. Die unmittelbare Nachkriegssituation war nicht zuletzt neben den kriegsbedingten Zerstörungen in Stadt und Land und den Entbehrungen der Bevölkerung auch durch genannten Wechsel der Militärverwaltungen im Juni 1945, bei der Übergabe von der amerikanischen zur französischen bzw. britischen Besatzung, gekennzeichnet. Die Zonengrenzen, besonders die der französischen Zone, wurden dabei in der Phase 1945/46 immer mehr zu wirtschaftlichen Trennlinien, zugleich auch zu einem Hindernis für die Mobilität der Bevölkerung. Das hat z.B. einen schnellen Wiederaufbau der westdeutschen Städte und eine zügige Integration der Vertriebenen und Flüchtlinge in den ersten Jahren nicht unerheblich behindert. Die Beiträge von Horst Matzerath, Karl-Heinz Rothenberger, Klaus Schwabe, Peter Brommer, Jost Dülffer, Helmut Mathy, Rainer Möhler und Herbert Schwedt zeigen diese Probleme im vorliegenden Band vor allem für den pfälzischen, den rheinhessischen und den nördlich angrenzenden rheinischen Raum, etwa bis Köln und Düsseldorf. Sie bilden zusammen mit einigen etwa gleichzeitig erscheinenden Sammelbänden anderer deutscher Regionen eine interessante Vergleichsbasis für die Erforschung der beim weiteren Wiederaufbau wichtigen ersten Nachkriegszeit. Hier liegt noch ein weites Feld für neue landesgeschichtliche Forschungen.

Kurt Düwell, Michael Matheus

Inhaltsverzeichnis

K. DÜWELL: Einführung.

H. MATZERATH: Rheinische Großstädte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Notverwaltung oder Neubeginn? [mehr]

K. SCHWABE: Aachen am Ende des Zweiten Weltkrieges: Auftakt zur Nachkriegszeit? [mehr]

H. SCHWEDT: Alltagsgeschichte der Nachkriegszeit – nach Berichten von Zeitzeugen. [mehr]

E. KRIER: Luxemburg am Ende der Besatzungszeit und der Neuanfang. [mehr]

K. DÜWELL: Trier und sein Umland in der Schlußphase des Zweiten Weltkriegs. [mehr]

P. BROMMER: Koblenz und der Mittelrhein zwischen Zerstörung und Wiederaufbau. [mehr]

J. DÜLFFER: Vom Westwall zu den Rheinwiesenlagern. [mehr]

K-H. ROTHENBERGER: Die Hungerjahre nach dem Zweiten Weltkrieg am Beispiel von Rheinland-Pfalz. [mehr]

R. MÖHLER: Politische Säuberung im Südwesten unter französischer Besatzung. [mehr]

H. MATHY: Zerstörung und Aufbau in Mainz 1945-1948. [mehr]

R. KARNETH: 1945. – Kriegsende und Neubeginn in Alzey und Umgebung. Anmerkungen zu einer Sonderausstellung des Museums der Stadt Alzey. [mehr]