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Otto Kandler / Wolfgang Licht / Elmar Rettinger: Region und Unterricht. Der Landkreis Mainz-Bingen.

(PZ-Information 1/97), 315 Seiten, 146 Abbildungen, 34 Tabellen. Vergriffen.

Ziel: Die Reihe "Region und Unterricht" wendet sich direkt an Lehrer und indirekt an Schüler. Den Lehrkräften sollen Informationen über die Region gegeben werden, die dann - von ihnen alters- und schulartgemäß aufbereitet - im Unterricht weitervermittelt werden können. Die Region wird im vorliegenden Fall als administratives Gebilde in Form des Landkreises definiert.

Das Konzept

Bei der Konzipierung der Publikation haben die Autoren in keiner Phase das Ziel verfolgt, den Landkreis in allen Themenfeldern flächendeckend und enzyklopädisch zu bearbeiten. Vielmehr haben sie sich von dem Gedanken leiten lassen, daß die Vermittlung von Wissen am konkret erfaßbaren Objekt zum Verstehen führt. Eine Talform erzählt etwas über Landschaftsentwicklung, ein Dorfgrundriß etwas über die Siedlungsentwicklung, eine Burg etwas über Herrschaftsstrukturen, ein Industriebetrieb etwas über wirtschaftliche Aktivitäten, Naherholung etwas über Lebensqualität usw.. Aus der Beobachtung, Beschreibung und Erläuterung einer typischen Naturlandschaft, eines bezeichnenden Dorfes, historischen Denkmals oder Industriebetriebes usw. können also die allgemeinen Grundzüge der Region herausgearbeitet werden. Die von den Autoren getroffene Auswahl raumprägender Strukturen soll es den Lehrern erleichtern, so weit möglich Unterricht vor Ort zu betreiben. Sie soll diese und die Schüler aber auch anregen zu überprüfen, inwieweit die am konkreten Beispiel gemachten Aussagen auf ähnlich gelagerte Fälle übertragbar sind. Als Hilfestellung dazu ist vor allem die weiterführende Literatur im Anschluß an die jeweiligen Kapitel gedacht. Ein Orts- und Personenregister erschließt den Band. Die Bearbeitung des Raumes folgt in den Grundzügen einem landeskundlichen Schema. In einem ersten Abschnitt wird der Naturraum vorgestellt. Oberflächenformen, Klima und Vegetation werden in knappen Übersichtskapiteln und vor allem an konkreten Landschaftsausschnitten (Fallstudien) beschrieben und erläutert. Ein zweites Großkapitel ist den geschichtlichen Abläufen und deren Spuren im Kreis gewidmet. Analog zu Kapitel 1 werden im Anschluß an einen allgemeinen historischen Überblick einzelne Orte herausgegriffen und an ihnen exemplarisch allgemeine historische Phänomene erläutert. Die Geschichte im "Kleinen" vermag auf der einen Seite größere Strukturen zu verdeutlichen und betont zugleich die Alltagsgeschichte, das Schicksal der einfachen Menschen. Die Bevölkerung des Landkreises wird in Kapitel 3, die Wirtschaft des Raumes in Kapitel 4 behandelt. Freizeit, Erholung und Bildung sind in einem fünften Großabschnitt zusammengefaßt. Auch wenn die letzten beiden Kapitel naturgemäß stark am "Heute" orientiert sind, soll auch hier die historische Dimension nicht vernachlässigt werden. Wie aus dem Inhaltsverzeichnis zu ersehen ist, haben sich die Autoren bei einzelnen Fallstudien der Hilfe von fachkundigen Mitarbeitern versichert. Ihnen sei an dieser Stelle herzlich gedankt.

Das Untersuchungsobjekt

Zwischen Guntersblum und Bacharach, und damit auf eine Laufstrecke von fast 80 km, stellt der Rhein - außer im Stadtgebiet von Mainz - die östliche und nördliche Begrenzung des Landkreises Mainz-Bingen dar. Die südliche und westliche Grenze liegt maximal 15 km, im Durchschnitt aber nur etwa 10 km vom Fluß entfernt. Dort wo der Landkreis das Mainzer Stadtgebiet umschlingt, engt er sich gar auf ungefähr 5 km Breite ein. Damit ergibt sich eine ungewöhnlich umrissene Landfläche mit einer ca. 65 km langen Nordwest-Südosterstreckung bei durchschnittlich 10 km Breite. Im Westen und Süden schließen sich die Landkreise Rhein-Hunsrück, Bad Kreuznach und Alzey-Worms an. Rechtsrheinisch sind die hessischen Landkreise Groß Gerau und Rheingau-Taunus benachbart. In seiner heutigen Form besteht der Landkreis seit der Verwaltungsreform 1969/70. Er gliedert sich in drei verbandsfreie Gemeinden und acht Verbandsgemeinden, die wiederum aus 63 Ortsgemeinden bestehen. Administrative Grenzen orientieren sich selten an Naturräumen. Im vorliegenden Fall ist dies insofern besonders von Bedeutung, als sich die im Kreisgebiet vertretenen Naturräume z.T. beträchtlich unterscheiden, was die die Pflanzen- und Tierwelt prägenden ökologischen Rahmenbedingungen betrifft. Dies ermöglicht (theoretisch) eine besonders reiche biozönotische Ausstattung, die aber (in der Realität) durch die seit Jahrtausenden andauernde Beeinflussung durch den Menschen stark eingeengt wurde bzw. erst gar nicht zur Entfaltung kam. Die Rolle des Menschen spielt denn auch bei der kurzen Besprechung der Flora (Kap. 1.4) eine wesentliche Rolle. Auch aus pädagogischer Sicht ist dieser Aspekt wichtig, zeigt er doch die zumeist unterschätzte Intensität auf, mit der der Mensch die Natur verändert (hat) und läßt - was freilich von den Lehrern verdeutlicht werden muß - die damit verbundene Verantwortung erkennen.

Die Darstellung einer Provinz bzw. eines Landkreises bedeutet nicht "Provinzialismus". Die Provinz ist - historisch gesehen - ein Grundzug der deutschen Geschichte. Der Raum des heutigen Landkreises Mainz-Bingen hat sich vom "Grenzland" in römischer Zeit zum "Kernland" im Mittelalter gewandelt. Hier wurden Entscheidungen von europäischer Dimension getroffen, die Region stand im Brennpunkt der Politik und ihre Bewohner hatten unter zahlreichen Kriegen zu leiden. Der Raum war einem ständigen Prozeß der Zentralisierung und Dezentralisierung unterworfen. Dies hat zur Folge, daß man hier auf der Ebene der "großen Geschichte" exemplarisch deutsche bzw. europäische Politik nachvollziehen kann, aber auch - und dies erscheint genauso wichtig - Aspekte der Alltagsgeschichte behandeln kann. Jede Gemeinde des Kreises hat ihre eigene, unverwechselbare historische Entwicklung. Angesichts der Vielfalt der unterschiedlichen Herrschaftsformen und der zahlreichen Aspekte des alltäglichen Lebens in historischer Zeit fiel hier die Auswahl der zu behandelnden Orte und Themen besonders schwer.

Aus dem Inhalt

1. RAUM UND LANDSCHAFT

1.1 DIE NATURLANDSCHAFTEN DES KREISGEBIETES (O. Kandler)

        1.1.1 Der geologische Untergrund
        1.1.2 Ausgangsrelief und jungtertiäre Ausgestaltung
        1.1.3 Die quartäre Umgestaltung

1.2 DAS KLIMA DES RAUMES (O. Kandler)

        1.2.1 Das Großklima
        1.2.2 Regionale Klimaunterschiede

1.3 FALLSTUDIEN

        1.3.1 Am Niersteiner Horst (O. Kandler)
        1.3.2 Das Landschaftsmosaik zwischen Medenscheid und       
                 Manubach im Mittelrheintal (O. Kandler)
        1.3.3 Der Nahe-Durchbruch bei Bingen (O. Kandler)
        1.3.4 Rutschungen am Jakobsberg bei Ockenheim (J. Preuß, C. Ihle, T. Hens)
        1.3.5 Die Enggaßhohl - ein Lößhohlweg bei Guntersblum (R. Ambos)

1.4 DIE VEGETATION DES RAUMES

        1.4.1 Allgemeines (W. Licht)
        1.4.2 Ursprüngliche Vegetation (W. Licht, T. Merz)
        1.4.3 Reale Vegetation (W. Licht, T. Merz)
                1.4.3.1 Wälder und Gebüsche
                1.4.3.2 Gewässer und ihre Ufer
                1.4.3.3 Felsen und Dünen
                1.4.3.4 Wiesen und Heiden
                1.4.3.5 Äcker und Weinberge
                1.4.3.6 Ruderalvegetation

1.5 RELIKTE DER NATURLANDSCHAFT (FALLSTUDIEN)

        1.5.1 Allgemeines (W. Licht)
        1.5.2 Das Morgenbachtal (T. Merz)
        1.5.3 Das Jugenheimer Wäldchen - ein Klauer (R. Ambos)
        1.5.4 Die "Rheinkribben" bei Bingerbrück (W. Licht)
        1.5.5 Der Gau-Algesheimer Kopf (T. Merz)


2. DER RAUM DES HEUTIGEN KREISES IN DER GESCHICHTE
(E. Rettinger)

2.1 DIE GESCHICHTE DES RAUMES IM ÜBERBLICK

        2.1.1 Die historische Entwicklung im Überblick
        2.1.2 Kreis- und Gemeindewappen: Symbole der historischen Entwicklung
        2.1.3 Ortsnamen im Kreisgebiet

2.2 BACHARACH: EHEMALIGE KURPFÄLZISCHE AMTSSTADT

        2.2.1 Abriß der Geschichte Bacharachs
        2.2.2 Auf den Spuren kurpfälzischer Herrschaft: ein Rundgang

2.3 BINGEN: STÄTTEN CHRISTLICHER UND JÜDISCHER RELIGION

        2.3.1 Abriß der Geschichte Bingens
        2.3.2 Rupert und Hildegard von Bingen
        2.3.3 Stätten christlicher Religion in Bingen
        2.3.4 Die Geschichte der Binger Juden
        2.3.5 Jüdische Denkmäler in Bingen: Die Synagogen und der Friedhof

2.4 BODENHEIM: GEISTLICHE ORTSHERRSCHAFT

        2.4.1 Abriß der Geschichte Bodenheims
        2.4.2 Zeugnisse der Geschichte Bodenheims: ein Rundgang

2.5 GAU-ALGESHEIM: ORTSBILD UND VERWALTUNG FRÜHER UND HEUTE

        2.5.1 Abriß der Geschichte Gau-Algesheims
        2.5.2 Das Ortsbild: ein Vergleich zwischen dem Mascop'schen
                 Plan von 1577 und dem heutigen Ortsgrundriß
        2.5.3 Auf den Spuren Mascops: ein Rundgang
        2.5.4 Verwaltung früher und heute: das Beispiel Amt Algesheim

2.6 INGELHEIM: STÄTTE MITTELALTERLICHER REICHS-VERSAMMLUNGEN

        2.6.1 Abriß der Geschichte Ingelheims
        2.6.2 Geschichte und Erforschung der Ingelheimer Kaiserpfalz
        2.6.3 Das Pfalzgebiet heute: ein Rundgang

2.7 OPPENHEIM: EHEMALIGE REICHSSTADT

        2.7.1 Abriß der Geschichte Oppenheims
        2.7.2 Die ehemalige Reichsstadt Oppenheim: ein Rundgang

2.8 BURGEN ZWISCHEN BINGEN UND BACHARACH: VOM HERRSCHAFTSZENTRUM ZUM AUSFLUGSZIEL

        2.8.1 Grundbegriffe: Adel - Stand - Ritter - Burg
        2.8.2 Burgenpolitik am Rhein zwischen Bingen und Bacharach
                 im 13. und 14. Jahrhundert
        2.8.3 Die Burg Rheinstein
        2.8.4 Kurzbeschreibungen weiterer Burgen im Kreis Mainz-Bingen


3. DIE BEVÖLKERUNGSENTWICKLUNG

3.1 DIE ENTWICKLUNG DER KREISBEVÖLKERUNG (O. Kandler)

3.2 DIE BEVÖLKERUNG EINER GEMEINDE FRÜHER UND HEUTE: DAS BEISPIEL NIERSTEIN (E. Rettinger)

        3.2.1 Abriß der Geschichte Niersteins
        3.2.2 Die Bevölkerung Niersteins

3.3 DIE AUSWANDERUNG AUS DEM RAUM OPPENHEIM IM 19. JAHRHUNDERT (H. Schmahl)

        3.3.1 Umfang und Verlauf der Auswanderung
        3.3.2 Größe der ausgewanderten Familien und Altersstruktur
        3.3.3 Ursachen der Auswanderung
        3.3.4 Zielgebiete
        3.3.5 Reisevorbereitungen und Überfahrt
        3.3.6 Siedlungsschwerpunkte in den USA: das Beispiel Wisconsin


4. ZUR WIRTSCHAFT DES RAUMES

4.1 DIE LANDWIRTSCHAFT

        4.1.1 Die Landwirtschaft in früheren Jahrhundeten (E. Rettinger)
                4.1.1.1 Die Landwirtschaft im Mittelalter
               4.1.1.2 DieLandwirtschaft in der Frühen Neuzeit bis ins 19. Jahrhundert
        4.1.2 Die Landwirtschaft im Kreisgebiet heute - ein Überblick (O. Kandler)
        4.1.3 Der Obst- und Spargelanbau im nördlichen Rheinhessen
                 - Grundlagen, Probleme, Perspektiven (J. Büchner)
               4.1.3.1 DieGrundlagen des Erwerbsobstbaus in Rheinhessen
               4.1.3.2 DieProblemfelder des Obstbaus in Rheinhessen
                4.1.3.3 Perspektiven
        4.1.4 Der Weinbau und seine Folgewirtschaft im Binger Raum (J. Barth)
                4.1.4.1 Das Familienunternehmen Racke
                4.1.4.2 Das Weinhandelshaus WIV
                4.1.4.3 Zusammenfassung

4.2 DAS HANDWERK (E. Rettinger)

        4.2.1 Einführung
        4.2.2 Das Handwerk im Kreis Mainz-Bingen und im Bereich der
                 Handwerkskammer Rheinhessen
        4.2.3 Das Handwerk in einer Gemeinde früher und heute: das
                 Beispiel Nierstein

4.3 DAS PRODUZIERENDE GEWERBE

        4.3.1 Das Produzierende Gewerbe im Kreisgebiet - eine Übersicht (O. Kandler)
        4.3.2. Boehringer Ingelheim (O. Kandler)
        4.3.3 Eckes Nieder-Olm (A. Bongers)
                4.3.3.1 Die Firmengründung
                4.3.3.2 Produkte und Märkte
                4.3.3.3 Eckes in Nieder-Olm
        4.3.4 Glashütte Budenheim (G. Glasze)
               4.3.4.1 DieGlasherstellung im Landkreis Mainz-Bingen
                4.3.4.3 Glasherstellung in Budenheim: Die Standortwahl
                4.3.4.3 Die Entwicklung des Unternehmens
                4.3.4.4 Die Glashütte Budenheim heute
                4.3.4.5 Die Glashütte in ihrer Umwelt
        4.3.5 Der Standort Bodenheim (E. Rettinger)

4.4 VERKEHRSWEGE FRÜHER UND HEUTE (E. Rettinger)

        4.4.1 Landwege
        4.4.2 Wasserwege
               4.4.2.1 DieSchiffahrt vom Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert
                4.4.2.2 Die Schiffahrt im 19. und 20. Jahrhundert
        4.4.3 Eisenbahn
               4.4.3.1 DieAnfänge der Eisenbahn im Bereich des heutigen Kreises
                 4.4.3.2 Die Nebenbahn Ingelheim-Partenheim

 

5. FREIZEIT - ERHOLUNG - BILDUNG

5.1 FREIZEIT UND ERHOLUNG

5.1.1 Freizeit und Feste früher und heute (E. Rettinger)
5.1.2 Der Fremdenverkehr und Ausflugsverkehr (O. Kandler)
5.1.3 Lehrpfade im Kreisgebiet (K. Hünerfauth-Brixius)

5.2 BILDUNG

        5.2.1 Schulen und Schüler im Raum Mainz-Bingen früher (E. Rettinger)
        5.2.2 Schulen und Schüler im Raum Mainz-Bingen heute (O. Kandler)
        5.2.3 Die Schulstadt Bingen (O. Kandler)