Georg Drenda: Kleiner linksrheinischer Dialektatlas. Sprache in Rheinland-Pfalz und im Saarland. 199 Seiten, 83 farbige Sprachkarten. Stuttgart: Steiner-Verlag 2008 (vergriffen).
Zu den Dialekten, die in Rheinland-Pfalz und im Saarland gesprochen werden, stehen der Dialektologie zahlreiche Fachpublikationen zur VerfĂŒgung. Die sprachliche Variation im Raum ist vor allem durch die groĂen Atlaswerke (Deutscher Sprachatlas, Deutscher Wortatlas und Mittelrheinischer Sprachatlas) ausgezeichnet dokumentiert. An populĂ€ren Darstellungen zur arealen Sprachvariation in Rheinland-Pfalz und im Saarland fehlt es hingegen.
Diesem Mangel versucht ein im Jahre 2003 begonnenes Projekt abzuhelfen. Speziell fĂŒr am Dialekt interessierte Laien, denen die fachwissenschaftliche Literatur nicht zugĂ€nglich ist, wurde ein Atlas rheinland-pfĂ€lzischer und saarlĂ€ndischer Dialekte erarbeitet. Der âKleine linksrheinische Dialektatlasâ dokumentiert fĂŒr das linksrheinische Rheinland-Pfalz sowie das Saarland auf 83 Karten die dialektale Variation exemplarisch ausgewĂ€hlter Sprachformen. Die behandelten PhĂ€nomene rekrutieren sich aus dem Bereich des Wortschatzes, der grammatischen Formen und der Sprachlaute. Der Atlas zeigt, wo die Dialektgrenze z. B. zwischen den Wörtern Junge und Bube, Kirmes und Kirbe (âKirchweihâ), gedacht und gedenkt, Fest und Fescht, ich und aich etc. verlĂ€uft. Jede Karte ergĂ€nzt ein in der Regel eine Seite umfassender Kommentar, der Informationen zu den kartierten Formen bietet.
Die in den deutschen Dialekten vorherrschenden Bezeichnungen fĂŒr das mĂ€nnliche Kind sind Junge und Bube. Im SĂ€chsischen und Schlesischen hat der DWA vor ca. 65 Jahren auch Kerl erhoben. Der Ausdruck Knabe kommt, von wenigen Ausnahmen in der Schweiz abgesehen, als Dialektwort nicht vor. Vereinfachend kann man sagen: Junge ist die norddeutsche, Bube die sĂŒddeutsche Form. Die Grenze hat â sehr grob skizziert â folgenden Verlauf: sĂŒdlich Merzig â nördlich St. Goar â GieĂen â nördlich Bamberg â sĂŒdlich Plauen. Den westlichen Abschnitt der Junge/Bube-Isoglosse zeigt die Karte. Interessanterweise fĂ€llt hier die Linie mit einer alten Territorialgrenze zusammen, nĂ€mlich der zwischen Kurtrier (im Westen) und Kurpfalz (im Osten). Es ist nicht so sehr erstaunlich, dass politische Grenzen zur Herausbildung sprachlicher Grenzen fĂŒhren können. Bemerkenswert im vorliegenden Fall ist vielmehr, dass rund 200 Jahre nach dem Ende der alten HerrschaftsverhĂ€ltnisse die dialektalen Differenzen stabil geblieben sind.
Das Wort Junge wird in den Dialekten des von der Karte erfassten Gebietes als Jong oder Jung realisiert. Die Entwicklung von u zu o ist in den moselfrĂ€nkischen Dialekten weit verbreitet, vgl. z. B. auch Lost âLustâ, schold âschuldâ und Zogga âZuckerâ. Das e am Wortende wird nach einer allgemeinen Regel abgestoĂen, vgl. auch z. B. Has âHaseâ, Bloom âBlumeâ und Zung âZungeâ.
Bei Bube dominieren die lautlichen Varianten Bub sowie Buu. Seltener kommen Bob, Boo und BĂ€o vor. In einigen saarlĂ€ndischen Orten ist Buw belegt. (Zur Entwicklung von b zu w vgl. die Karte 8 lieb.) Die Verteilung der Lautvarianten im Raum zeigt die Karte. Der Abfall des b am Wortende von Bub ist groĂrĂ€umig zu beobachten. Er setzt sich von der Pfalz nach SĂŒden und Osten fort. Als Beleg diene das bairische Bua. Auch bei anderen Wörtern ist b-Schwund in den Dialekten des Kartengebietes zu beobachten, so etwa bei Stube (Stuu).