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Zurück an 'seiner' Universität: Mario Adorf im Gespräch

Rückblick auf die Veranstaltung des IGL am 18. November 2016

V.l.n.r.: Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur Prof. Dr. Salvatore Barbaro, Mario Adorf, früherer SWR-Fernsehdirektor Bernhard Nellessen (Foto: Peter Pulkowski)

806 Sitzplätze und nur noch wenige davon frei – ein außergewöhnlicher Rahmen für eine Veranstaltung des Instituts für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e.V. Außergewöhnlich war auch der Gast, den es an diesem Abend zu begrüßen galt: Mario Adorf hatte seinen Weg zurück an seine Alma mater gefunden, an der er ab 1950 für einige Semester studiert hatte und die ihm 2010 den Ehrendoktor verlieh. Gemeinsam mit dem Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur, Prof. Dr. Salvatore Barbaro, stellte er sich den Fragen des früheren langjährigen SWR-Fernsehdirektors Bernhard Nellessen. Von der ersten Minute an wusste der sympathische 86-Jährige das Publikum zu begeistern.

Bereits im Vorfeld war dem Organisationsteam des IGL Herr Adorf als bodenständige und sehr nahbare Person beschrieben worden. Diese Ausstrahlung hat er in der Tat: weder ließ sich der betagte Schauspieler seinen Terminmarathon im Rahmen der am vorigen Tag stattfindenden Bambi-Verleihung für sein Lebenswerk anmerken, noch von der durch Barack Obamas Anwesenheit in Berlin verursachten (Flug-)Verspätung die Laune verderben.

V.l.n.r.: Mainzer Universitätspräsident Prof. Dr. Georg Krausch, Mario Adorf, Vorsitzender und Direktor des IGL Prof. Dr. Michael Matheus (Foto: Peter Pulkowski)

Nach einem Begrüßungskaffee mit dem Vorsitzenden und Direktor des IGL Prof. Dr. Michael Matheus sowie dem Universitätspräsidenten Prof. Dr. Georg Krausch betrat Herr Adorf beschwingt und mit bester Laune den größten Hörsaal der Johannes Gutenberg-Universität, wo ihn begeisterter Applaus empfing. Keine Frage, hier freuten sich zahlreiche Fans auf eine ganz besondere Begegnung. Nach der offiziellen Begrüßung durch den Universitätspräsidenten würdigte Prof. Matheus Leben und Wirken des Schauspielers und betonte noch einmal die Bedeutung von (prominenten) Zeitzeugen für die Darstellung der jüngeren Geschichte. So markierte das Zeitzeugengespräch mit Mario Adorf sicherlich einen Höhepunkt in den zahlreichen Veranstaltungen zum 70. Jubiläum der Wiederbegründung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Prof. Matheus, der Mario Adorf während seiner beruflichen Station am Deutschen Historischen Institut in Rom (2002–2012) kennengelernt hatte, zog in seinen Ausführungen ein besonderes Ass aus dem Ärmel: ein nur für den internen Gebrauch bestimmtes Verzeichnis der  Sprecherinnen und Sprecher mit entsprechenden Kurzcharakterisierungen aus dem Jahre 1951, als Adorf als junger Student seine ersten Studioerfahrungen beim Landessender SWR machte. Kaum zu glauben, aber der mit zahlreichen Preisen überschüttete Schauspieler, Sprecher und Autor wurde mit dem (Nicht-)Prädikat 'mäßig begabt' in den Unterlagen vermerkt. Adorf lachte herzhaft über diese Beschreibung, die er mit seiner beeindruckenden Karriere als Schauspieler und Autor zweifelsohne längst Lügen gestraft hat.

Mario Adorf betritt von großem Applause begleitet den Audimax, gefolgt von Prof. Dr. Georg Krausch und Prof. Dr. Michael Matheus (Foto: Peter Pulkowski)

Wahrlich unprätentiös zeigte sich der Schauspieler den ganzen Abend über: Ohne Umschweife griff er zu Beginn des Gesprächs zur Wasserflasche und schenkte sich und seinen Gesprächspartnern beherzt ein. In dem einstündigen Gespräch nahm Mario Adorf sein Publikum mit auf eine Zeitreise in das Jahr 1950, als er von Mayen aus mit dem Zug nach Mainz fuhr. Zum Schmunzeln brachte er die Anwesenden, als er seine Immatrikulation beschrieb: noch grün hinter den Ohren wusste er nicht, dass er sich für eine Fakultät entscheiden musste. Zu seinem Glück war die Sekretärin hilfsbereit und verständnisvoll und gab ihm den Ratschlag, sich im laufenden Sommersemester doch erst mal verschiedene Vorlesungen anzuschauen und dann zu entscheiden. Dies tat Herr Adorf und besuchte im Anschluss für vier Semester eine Vielzahl von Veranstaltungen aus den Bereichen Philosophie, Literatur, Theaterwissenschaften, Anglistik – man hatte bei seinen Ausführungen das Gefühl, er erinnere sich noch an jedes Seminar und jeden Dozenten. Einige pries er gar namentlich und gab kleine Kostproben Ihrer Ausführungen. Man merkt noch heute, wie sehr der Schauspieler und seine Zeitgenossen damals nach Wissen lechzten, die Schulbildung war der (Nach-)Kriegszeit zum Opfer gefallen. Bei allem Enthusiasmus: dass Vorlesungen um 8:00 Uhr morgens begannen (und es immer noch tun), daran kann er nach wie vor nichts Sinnvolles finden.

Das Leben in der Stadt Mainz beschrieb er in starken Bildern. Adorf sprach über seine zahlreichen Nebenjobs in der zerstörten Stadt, sei es beim Glashersteller Schott oder der Caritas, mit denen er sein Studium finanzierte. Auch in der Gefängnisfürsorge wurde er eingesetzt. Kontrastreich war sein Studentenleben zu jener Zeit: vormittags hochliterarische Diskussion in den Seminaren,  abends die Frage: habe ich noch genug Geld für Essen oder wird es ausnahmsweise doch das Kino? Beides kostete nahezu das Gleiche, nämlich ungefähr eine Mark. Mario Adorf hat das Talent, solche Anekdoten über den allgegenwärtigen Hunger und die täglichen Schwierigkeiten wie eine Aneinanderreihung von Abenteuergeschichten wirken zu lassen. Mit viel Augenzwinkern berichtet er vom 'Marsch übers freie Feld', an dessen Ende die Gulaschkanone der Hoover-Speisung stand. Lediglich die tägliche Gerichtauswahl kommt heutigen Studenten noch immer bekannt vor: Nudeln mit Tomatensauce. Nach erstem Gelächter blieb jedoch bei vielen Geschichten eine eindringliche Botschaft zurück, die Adorf auch selbst auf Nachfrage nochmals darlegte: Wie gut es der heutigen Studentengeneration geht und wie froh wir über die heutigen Zeiten sein dürfen.

V.l.n.r.: Staatssekretär Prof. Dr. Salvatore Barbaro, Prof. Thomas Duttenhoefer, Mario Adorf, Prof. Dr. Michael Matheus, Wolfgang Thomeczek (Foto: Peter Pulkowski)

Nach diesem kurzen Innehalten wurde es abschließend noch einmal kurios, sah man doch Adorfs Konterfrei doppelt im Raum. Der Bildhauer Prof. Thomas Duttenhoefer nahm den Gesprächsabend zum Anlass, um seinem mehrfachen 'Model' Adorf eine Büste zu überreichen, die ihn abbildet. Der Charakterkopf freute sich sichtlich über diese Überraschung und posierte zur Freude von Fans und Journalisten mit viel Enthusiasmus und Schalk im Nacken neben dem Kunstwerk: mal grimmig Aug in Aug, mal in Selfie-Pose. Ohne Berührungsängste verglich er Gesichtszüge von Büste und Original und musterte scheinbar kritisch seine Nase, die während seiner Zeit in der Mainzer Studenten-Box-Staffel vielleicht auch eine gewisse Prägung erhalten haben mag. Wer weiß.

Wir freuen uns sehr, dass Herr Adorf an diesem Tag unser Gast gewesen ist. Nicht nur, weil wir stolz sind, dass wir eine solch hochrangige Person der deutschen Kulturlandschaft zu einem Gespräch an die Universität Mainz holen konnten, sondern weil er uns an diesem Abend in seiner sympathischen und bodenständigen Art und mit allerlei persönlichen Anekdoten auch die Vergangenheit ein Stück näher gebracht hat. Geschichte erleben lassen und begreifbar machen, das ist die Aufgabe des Instituts für Geschichtliche Landeskunde. Viele Zuschauer, vor allem die derzeitigen jungen Studierenden, blieben beeindruckt zurück. Von den Studienbedingungen im Deutschland der 1950er Jahre zu hören, rückte für den Einen oder Anderen so manches universitäre 'Wehwehchen' sicherlich in eine andere, vielleicht sogar eine richtige Perspektive.

Unser ausdrücklicher Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Präsidialbüros, der Stabsstelle Kommunikation und Presse sowie dem Fachbereich 03 der Johannes Gutenberg-Universität, die einen nicht unerheblichen Teil zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen haben.

Zeitzeugengespräch mit Mario Adorf - Aufgezeichnet von Campus Mainz