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Prof. Dr. Michael Kißener (Mainz): Wie Völker hassen lernen. Deutsche und Franzosen im 19. Jahrhundert.

Der fünfte Vortrag der diesjährigen Reihe stand unter dem plakativen Titel „Wie Völker hassen lernen“. Prof. Dr. Michael Kißener (Universität Mainz) referierte über das deutsch-französische Verhältnis im Zeitabschnitt zwischen der französischen Revolution und dem Ersten Weltkrieg. Er machte dabei deutlich, dass „Erbfeindschaft“ als prominente Bezeichnung für das Verhältnis der Nachbarländer im langen 19. Jahrhundert zueinander nicht per se zutreffend war. Der Hass und die Feindschaft zwischen Deutschen und Franzosen, der schließlich in den beiden Weltkriegen seinen Höhepunkt fand, entsprangen vielmehr einer Spirale überbetonter Nationalismen in beiden Ländern.

An biographischen Beispielen, so etwa am Rheinländer Joseph Görres, demonstrierte der Referent, wie die in Deutschland herrschende Begeisterung für die Ideale der französischen Revolution mit dem Staatsstreich und des Alleinherrschaft Napoléons in Enttäuschung umschlug. Unter den deutschen Intellektuellen, aber auch allmählich in der Bevölkerung, entstand nun, genährt von der Hoffnung auf eine geeinte deutsche Nation, in den Befreiungskriegen ein Negativbild Frankreichs.

Eine entscheidende Verschlechterung der deutsch-französischen Beziehungen war schließlich die Rheinkrise 1840, in der sich französische Forderungen nach dem linken Rheinufer und entsprechende deutsche Abwehrversuche gegenüberstanden. Die hitzigen Auseinandersetzungen waren vor allem lyrischer Art, etwa in der „Wacht am Rhein“ von Max Schneckenburger, „Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein“ von Nikolaus Becker und der französischen Antwort „Le rhin allemand“ von Alfred de Musset.

Der Referent zeigte schließlich, dass besonders in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sich die Spirale gegenseitigen Misstrauens beschleunigte: nach dem preußisch-österreichischen Krieg 1866 gewährte Bismarck Frankreich keine linksrheinischen Kompensationen und 1867 scheiterte die Erwerbung Luxemburgs, aus französischer Perspektive, ebenfalls an Preußen. Der deutsch-französische Krieg 1870/71 endete mit der Gefangennahme von Kaiser Napoleon III., dem Beschuss von Paris, der Abtrennung des Elsass und Lothringens und der Gründung des Zweiten Deutschen Kaiserreiches in Versailles demütigend. Dies verfestigte den deutsch-französischen Antagonismus und führte schließlich zum Ersten Weltkrieg als bis dato entsetzlichstem Beispiel des gegenseitigen Hasses zweier Völker.

(Markus Würz)