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Mittelalterliche Kaufhäuser im europäischen Vergleich

Vortragsreihe Januar-Juni 2012

Mainz war 2011 Stadt der Wissenschaft. In diesem Zusammenhang initiierte das IGL in Kooperation mit dem Institut für Mediengestaltung der FH Mainz das Projekt „Das Mainzer Kaufhaus am Brand – 3D-Visualisierung eines mittelalterlichen Gebäudes“.  Am 14. Mai 2011 wurde eine Basisversion der 3D-Visualisierung der Öffentlichkeit vorgestellt.  Seit 13. September 2011 läuft eine überarbeitete Version in der Dauerausstellung des Mainzer Landesmuseums. 

Das Kaufhaus-Projekt wird über das Jahr 2011 hinaus weitergeführt. Dazu dient die Vortragsreihe „Mittelalterliche Kaufhäuser im europäischen Vergleich“. Neben dem Schwerpunktthema „Mainzer Kaufhaus“ berichten verschiedene, renommierte Referenten über historische Kaufhäuser in verschiedenen europäischen Regionen.

Die Vortragsreihe wird von einem Konzert beschlossen. Erstmals kommt das international bekannte Mittelalter-Ensemble „Capella Antiqua Bambergensis“ nach Mainz. CAB ist das führende Ensemble in Deutschland in Sachen mittelalterliche Musik (siehe www.capella-antiqua.de/). CAB interpretiert mittelalterliche weltliche und kirchliche Musik, wobei nachgebaute mittelalterliche Musikinstrumente zum Einsatz kommen. Die Zuhörer bekommen auf diese Weise einen authentischen Eindruck von mittelalterlicher Musik. Mit dabei sind die Harfenistin und Sopranistin Arianna Savall, die zu den bekanntesten europäischen Musikerinnen der Alte-Musik-Szene gehört, sowie der renommierte Tenor Petter Udland Johansen aus Norwegen.  

 

[Zum Vortragsflyer]

 

Folgende Referenten und Themen sind vorgesehen:

  • 31.1.2012: Verfassung, Gesellschaft und Wirtschaft in Mainz im 14. Jahrhundert (Dr. Wolfgang Dobras, Stadtarchiv Mainz) 

    Zu Beginn des 14. Jahrhunderts stand das Goldene Mainz in größter Blüte: Die Zahl der Einwohner war so hoch wie nie zuvor, die Bebauung erreichte ihre größte Dichte. In Konkurrenz zu dem von der Geistlichkeit dominierten Dombereich hatte sich im Brandgebiet ein kommunales Zentrum mit Bürgerspital Heilig Geist, Rathaus und nicht zuletzt dem prächtigen Kaufhaus etabliert. Doch die unglückliche Verwicklung in den Krieg um den Erzbischofsstuhl Ende der 1320er Jahre, der Aufstand der Zünfte, die auf politische Mitverantwortung gegenüber den alteingesessenen, bislang allein regierenden patrizischen Geschlechter pochten, sowie das Wüten der Pest 1349 beendete diese friedliche und prosperiende Phase. Der Vortrag zeichnet die Entwicklung nach und beleuchtet Hintergründe und treibende Kräfte.

     
  • 14.2.2012: Probleme der 3D-Visualisierung historischer Gebäude – das Beispiel Mainzer Kaufhaus am Brand (Manfred Liedtke/ Manfred Große, Dipl. Des., Institut für Mediengestaltung, FH Mainz)
    Seit Mai 2011 ist eine virtuelle Rekonstruktion des mittelalterlichen Kaufhauses am Brand der Öffentlichkeit zugänglich. Die sechsminütige Animation stellt die aktuelle Stufe der Entwicklung der 3D-Visualisierung dar. Die beiden Designer Manfred Große und Manfred Liedtke vom Institut für Mediengestaltung der Fachhochschule Mainz zeigen rückblickend wie technische und gestalterische Herausforderungen in dem interdisziplinären Projekt gemeistert wurden bzw. wie damit umgangen wurde. Gleichzeitig zeigen sie auch die zukünftigen Chancen und Entwicklungspotenziale, die sowohl in dem Projekt selbst, als auch in seiner Präsentationsform stecken.
  • 6.3.2012: Die Fassade des Mainzer Kaufhauses. Neue Forschungen zum Skulpturenprogramm (Dr. Frithjof Schwartz, Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz)
    Die Fassade des mittelalterlichen Mainzer Kaufhauses bildet eines der frühesten Beispiele für Schaufassaden bei profanen Gebäuden in Deutschland. Ausgestattet mit einem reichen Skulpturenprogramm übernahm die Kaufhausfassade im frühen 14. Jahrhundert ein Instrumentarium, das bisher kirchlichen Bauten vorbehalten war. Beides zeigt, dass das Kaufhaus mit hohen Ansprüchen von Patriziat und Bürgerschaft verbunden war. In direkter Nähe zum Dombezirk war es ein Symbol für die Autonomiebestrebungen der Stadt und bildete den Mittelpunkt eines kommunalen Zentrums. 
    Der Vortrag widmet sich der Entwicklungs- und Wirkungsgeschichte der Fassade und stellt grundsätzliche Fragen zu ihrer Bedeutung und Symbolik. 
  • 20.3.2012: Die Mainzer Kaufhausordnung aus dem 15. Jahrhundert (Dr. Stefan Grathoff, IGL Mainz)
    Die heute noch erhaltene, 58-seitige Ordnung aus der Mitte des 15. Jahrhunderts kündet von der inneren Organisation, den anfallenden Gebühren und dem vielfältigen Warenspektrum im Mainzer Kaufhaus. Erfahren Sie was „Linnweid“ war, woher „Brasilholz“ wirklich stammte und ob die Mainzer Bürger tatsächlich „goldgewebte Tücher“ am Brand erwerben konnten. Die Produktpalette im Mainzer Kaufhaus war groß: Die Bürger der Stadt konnten zum einen Alltagsprodukte wie Brennholz und Stoffe erwerben und zum anderen Luxusartikel aus fernen Ländern kaufen. Die Ordnung zeugt von exotischen Gewürzen, wie Pfeffer, Thymian und Koriander, die ihren Weg aus Zentralafrika über Vorderasien und Venedig ins Mainzer Kaufhaus und so in die Haushalte der Mainzer Bürger fanden. Die Lagerung der Waren waren mit Gebühren für die Händler verbunden, die Organisation innerhalb des Kaufhauses unterlag strengen Richtlinien. Vergleichbar mit einem Gesetzestext ist die Kaufhausordnung jedoch nicht. Es handelt sich vielmehr um eine unsystematische Zusammenstellung verschiedenster Bestimmungen, die zum Teil in der Realität kaum umsetzbar waren, wie beispielsweise die Wiegepflicht der Waren für jeden Großhändler. Für die Einhaltung und Durchsetzung dieser Regeln sorgten unter Eid verpflichtete Hausmeister und mehrere Kaufhausknechte, welche die Aufsicht vor Ort führten und für die Lagerung und Verwaltung zuständig waren. Neben diesen konkreten Anordnungen enthält die Kaufhausordnung auch Informationen, die Hinweise rund um die Lebenswelt im mittelalterlichen Mainz geben.
  • 3.4.2012: Kaufhäuser in den Städten deutschen Rechtes in Mitteleuropa mit einer besonderen Berücksichtigung Kleinpolens mit Krakau (Prof. Dr. Boguslaw Krasnowolski, Kunstakademie und Pädagogische Akademie in Krakau) 
    Die mittelalterlichen Städte entstanden zum Teil im Zuge einer von bestimmten Handelsstädten oder Regionen ausgehenden Kolonisierungsbewegung. So entstanden Städte, die mit den gleichen Rechten wie die Mutterstadt ausgestattetet waren. Oftmals waren sie auch in ihrer städtebaulichen Struktur ähnlich aufgebaut. So konnte sich das Kaufhaus als eine feste Institution im mittelalterlichen Städtebau behaupten und wurde in vielen Städten in der Umgebung von Rathaus und Marktplatz errichtet. Das Kaufhaus war wichtig, da ein festgelegter Ort benötigt wurde, an dem Waren gelagert und vertrieben werden konnten. Durch diese zentrale Lagerung konnte der ansässige Feudalherr den Handel kontrollieren und zum Beispiel Gebühren für die Lagerung der angebotenen Waren verlangen.
    Anfänglich waren die Bürger mit dieser Kontrolle nicht einverstanden. In einer Belehrung der Magdeburger Schöffen (1214-26?) wurde Heinrich I. (der Bärtige) für den Bau eines Kaufhauses in Breslau kritisiert, da der freie Handel in den Bürgerhäusern dadurch zum Erliegen käme. Im Laufe der Zeit erkannten die Bürgereliten jedoch Vorteile des Kaufhauses. Denn der Besitz von Kammern in einem Kaufhaus, deren Anzahl festgelegt war, war entscheidend für ein Monopol beim Handel mit einer bestimmten Ware.
    Architektonisch kann man bei den Kaufhäusern zwei Gestaltungstypen unterscheiden. Zum einen entstanden im 13. Jahrhundert in Städten mit Magdeburger Rechtssystem vor allem Kaufhäuser mit einem Mauer-, Fach-, oder Holzbauwerk. Den Innenraum bildeten zwei Reihen unterkellerter Kammern. Diese beiden Reihen waren durch eine schmale Straße getrennt, in späterer Zeit konnte die schmale Straße auch durch eine überdachte Diele ersetzt werden. Die Kaufhäuser befanden sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Rathaus und waren manchmal sogar direkt mit ihm verbunden. 
    Beispiele dieses Typus findet man in Schlesien unter anderem in Breslau, Schweidnitz, Glogau und  Brieg, aber auch in Kleinpolen, hier vor allem in Krakau oder Prag. Ein anderer Kaufhaustypus kam ursprünglich aus den Niederlanden und Lübeck. Er wurde in den Städten mit Lübecker Handelsrecht bevorzugt gebaut, zum Beispiel im Bereich des Deutschordensstaates mit einem Kerngebiet im Alten Preußen. Dort entwickelten sich die Kaufhäuser als mehrschiffige Hallengebäude mit einzelnen Verkaufsstellen. Charakteristisch ist hier der direkte Verbund mit den Rathäusern.
  • 24.4.2012: Fremde Kaufleute in Brügge. Zur Entstehung der Börse im 14./15. Jahrhundert (Prof. Dr. Harm von Seggern, Universität Kiel)
    In das allgemeine Licht der Öffentlichkeit geraten die Börse und die Aktienkurse vornehmlich bei dem Platzen sog. Blasen, womit ein dramatischer, schneller Abstieg der Kurse gemeint ist, wie man ihn in den Jahren 2000/01 mit dem Abklingen der Euphorie um die Internet- und IT-Dienstleister (sog. dot.com-Blase) und der Krise nach dem Abschlag auf das World Trade Center und in den Jahren 2007/08 mit dem Wertverfall von amerikanischen Hypothekenkrediten und der Insolvenz einer der größten international tätigen Investmentbanken (Lehman Brothers) erlebte. 
    Was die wenigsten wissen, ist, dass die Börse als Institution ihre Ursprünge im Spätmittelalter hat. Merkwürdigerweise liegen die Anfänge so gut wie völlig im Dunkeln, weder gibt es eine Gründungsurkunde, noch kann man ein Entstehungsdatum erkennen. Was es gibt sind spätere Erzählungen aus dem 16. Jahrhundert, die es bei vorsichtiger Interpretation erlauben,  Rückschlüsse auf das 14. und 15. Jahrhundert zu ziehen; es gibt zahlreiche populäre Darstellungen, doch werden diese der Überlieferungslage nicht gerecht, sind meistens verkürzt und schlicht und ergreifend sachlich falsch. 
    Abgeleitet ist der Name von der Brügger Patrizierfamilie van der Beurse, die wie einige andere auch als Wirte für die seit dem 13. Jahrhunderts anwesenden fremden Kaufleute, den Gästen, auftraten. Gästen war im Spätmittelalter in der Regel der direkte Handel untereinander verboten, weswegen es sich einbürgerte, dass die fremden Kaufleute durch ihre Gastgeber, den Wirten, bei denen sie wohnten, ihren Handel abwickeln lassen mussten. Von den vielen Wirten in Brügge stach die Familie van der Beurse besonders hervor, so dass sich vor ihrem Haus zahlreiche der fremden Kaufleute mit ihren Maklern trafen. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts wurde das Haus der Familie von der Gemeinschaft der venezianischen Kaufleute erworben, dennoch blieb die alte Bezeichnung erhalten. Von der Familie ging der Name auf das Haus, sodann auf den Platz vor dem Haus und schließlich auf den Treffpunkt der Makler über. Als solcher wurde er gegen Ende des 15. Jahrhunderts von Brügge nach Antwerpen verlegt, wo erst 1531 ein eigenes Haus gekauft wurde; bis dahin traf man sich unter freiem Himmel. Im Laufe des 16. Jahrhunderts wurden in einer ganzen Reihe anderer Städte nach dem Antwerpener Vorbild ebenfalls Börsen eingerichtet.
  • 8.5.2012: Das mittelalterliche Kaufhaus im europäischen Mittelmeerraum (Prof. Dr. Uwe Israel, TU Dresden)  

    Das mittelalterliche „Kaufhaus“, wie es uns Anfang des 14. Jahrhunderts mit Mainz als einem frühen Beispiel entgegentritt, war mehr und zugleich weniger als ein Warenhaus im heutigen Sinne. Es steht als Oberbegriff für ganz verschiedene Einrichtungen, deren gemeinsame Aufgabe es war, den Handelsaustausch zu befördern. In ihm steckt etwas von einem Lagerhaus, einem Kontor oder einem Markt, aber auch von einer Zollstelle, einem Gasthof oder einem Konsulat.
    Eine Einrichtung für fremde Kaufleute, die alle diese Funktionen in sich vereinigen konnte, war der „Fondaco“, der seit dem 11. Jahrhundert für die wirtschaftliche Verbundenheit der Mittelmeerwelt steht. Mit der islamischen Expansion hatte sich der aus der griechischen Antike bekannte Herbergstyp des „Pandocheion“ in gewandelter Form in muslimischen Hafenstädten von Palästina über Sizilien und Süditalien bis Katalonien unter dem abgeleiteten Namen funduq verbreitet. Seit den Kreuzzügen lernten westliche Fernhändler und Pilger diese Einrichtung vermehrt kennen oder man fand sie in den wiedereroberten italienischen und spanischen Territorien vor; unter der lateinischen Bezeichnung fundicum für spezielle Herkunftsgruppen eingerichtet, hatte sie allerdings inzwischen ihre karitativ Funktion zugunsten kommerzieller Interessen verloren.  Ein prominentes Beispiel für das Aufgreifen dieser Idee stellt der Anfang des 13. Jahrhunderts von der Republik Venedig zur besseren Kontrolle und Abschöpfung des Handels eingerichtete „Fondaco dei Tedeschi“ dar. Das Haus der Deutschen war eine Stadt in der Stadt mit Konsuln, Handelshof, Notariat, Kapelle, Brunnen, Ofen, Schenke, Mensa, Werkstätten und einer Vielzahl an Bediensteten. Während man am Rialto die deutschen Kaufleute auch noch nach dem Mittelalter zwang, dort mitsamt ihren Waren abzusteigen, wandelten sich fondaci in anderen Städten des europäischen Mittelmeerraums, wo Christen unter Christen waren, zu kommunal oder privat betriebenen Warenhäusern und Stapeln, die dann in veränderter Gestalt auch „Loggia“ genannt wurden.

  • 2.6.2012, 19.00 Uhr: Klang der Staufer oder Musik für Kaiser und Könige. Konzert mit „Capella Antiqua Bambergensis“ – Karmeliterkirche Mainz. Die Karten kosten 25,- (für Mitglieder des Vereins 20,-) und können ab sofort beim Institut bestellt werden.

Die Vorträge beginnen jeweils um 18.00 Uhr und finden im Mainzer Landesmuseum, Große Bleiche 49-51, statt.
Der Eintritt ist frei.