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Bildungsgeschichte(n) an Rhein und Mosel

Schon im Buch Kohelet der Biblia Latina Vulgata werden Wissen, Weisheit und Erkenntnis als für das Tun des Menschen unverzichtbar gepriesen. Programmatische Aussagen des Textes („Wissen ist besser als Macht“; „Wissen ist besser als Waffen“) wurden in jüdischen und christlichen gelehrten Diskursen immer wieder aufgegriffen. Sie spielten bei der Suche nach Wahrheit und im Ringen um Chancen und Begrenzungen menschlicher Wissens- und Willensfreiheiten und somit in den Gestaltungsmöglichkeiten gesellschaftlicher Wert- und Ordnungsvorstellungen stets eine unverzichtbare Rolle.

Die Vortragsreihe des Instituts für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e. V. (IGL) des Jahres 2019 nimmt ausgewählte Entwicklungsschritte in der von stetem Wandel und zugleich von Rezeptionen tradierter Überlieferungen geprägten Bildungsgeschichte und der damit einhergehenden Vermittlung von gelehrtem sowie gesellschaftlich nützlichem Wissen in den Blick. Der komplexe und keinesfalls eindeutige Begriff der Bildung umfasst dabei unverzichtbare kognitive und emotionale Fähigkeiten und Inhalte zur Formung von Menschen sowie den verantwortlichen Umgang mit diesen. Im Mittelpunkt der Vorträge stehen Wissensräume und damit vom jeweiligen zeitgebundenen Ordnungswillen geschaffene Institutionen der Bildungsvermittlung. Neben allgemeinen Entwicklungen und Befunden geht es immer auch um lokale und regionale Ausprägungen in den Landschaften an Rhein und Mosel. In den Blick genommen werden vor allem zentrale Etappen der Bildungsgeschichte in den letzten rund tausend Jahren. Fundamente der Wissensaneignung reichen freilich auf vielfache Weise in die Antike zurück. Sie wirken über spezifische politische und kulturelle Einheiten hinaus und waren immer offen für Wissensbestände anderer Kulturen. Zugleich sind die Akteure der Wissensvermittlung immer darauf angewiesen, bewährte Traditionen und gegenwärtige gesellschaftliche Bedürfnisse miteinander zu verknüpfen und mit Blick auf eine möglichst umfassende Bildung von Menschen zum Ausgleich zu bringen. Traditionen und Brüche dieser Bildungsgeschichte(n) werden somit zu einem faszinierenden Spiegel gesamtgesellschaftlicher wie auch spezifisch regionaler Entwicklungen an Rhein und Mosel. 

Vorträge

Der Eintritt zu allen Vorträgen ist frei - eine Anmeldung ist nicht erforderlich.


Montag, 1. April 2019

Die SchUM-Städte Mainz, Speyer, Worms. Zentren der Gelehrsamkeit im askenasischen Judentum

Prof. Dr. Andreas Lehnardt, Mainz

Ausgehend von Mainz entwickelte sich in den Städten am Rhein eine eigene Lehr- und Studientradition, die das Judentum bis heute prägt. Insbesondere die Talmud-Kommentare aus Mainz (Perushe Magenza) haben das Verständnis dieses Hauptwerkes der rabbinischen Literatur im westeuropäischen (aschkenasischen) Judentum nachhaltig verändert. An die Stelle eines primär an religionsgesetzlicher Anwendung interessierten Studiums trat die Beschäftigung mit dem Talmud um des Talmuds willen. Wie der Text der hebräischen Bibel so wird ab dem 11. Jahrhundert, der Talmud selbst Gegenstand systematischer Auslegung – eine Entwicklung, aus der dann der bis heute grundlegende Kommentar Raschis und seiner Nachfolger der Tosafisten in Nordfrankreich hervorging. Ausgehend von dieser Entwicklung wird der Vortrag nach der weiteren Rezeption dieser Lerntradition in den SchUM-Städten fragen. Unterschieden sich die Zentren bezüglich der in ihnen gepflegten Beschäftigung mit dem Talmud? Wurde im Worms der Blütezeit der jüdischen Gemeinden anders studiert als in Speyer? Und wenn ja, welche Bedeutung hatte dies für die weitere geistige Entfaltung des aschkenasischen Judentums?


Mittwoch, 10. April 2019

Wissensräume Entscheidungsräume: von Kloster- und Stiftsschulen zu Universitäten. Wege des gelehrten Wissens im hohen und späten Mittelalter

Prof. Dr. Martin Kintzinger, Münster

Im Mittelalter war ein Wissensraum virtuell gedacht: ein Ort, an dem ein Lehrer mit seinen Schülern zum Unterricht zusammenkam. Feste Gebäude und Räume waren nicht zwangsläufig vorhanden. Wichtig war vielmehr, worum es ging in der Lehre und hier war der Wissensraum unbegrenzt. Das Wissen der Antike und anderer Kulturen konnte ebenso interessant sein wie das Wissen der eigenen Gesellschaft. Wissenstraditionen blieben wichtig und ließen doch Raum für neue Fragen, für Neugier und Innovationen. Gelehrte Diskurse bewahrten nicht nur, was überkommen war, sondern suchten die Entscheidung zwischen Alternativen und für neue Horizonte des Wissens. Damit begann die Erfolgsgeschichte der Universitäten.


Dienstag, 7. Mai 2019

Bildungsaufbrüche im Zeitalter Gutenbergs

Prof. Dr. Michael Matheus, Mainz

Im Gefolge der Reformation kam es bekanntlich zu neuen Impulsen im Bereich der Wissensvermittlung und Bildung. Dabei wird freilich oftmals übersehen, dass schon im 15. Jahrhundert zahlreiche Versuche unternommen wurden, das Bildungsniveau u. a. durch die Gründung von Schulen und Universitäten zu verbessern, sodass mit Blick auf diese Zeit von einem veritablen Bildungsaufbruch gesprochen werden kann. Die Erfindung der Druckkunst stellt einen Teil dieses Bildungsaufbruchs dar und beeinflusste diesen mit der massenhaften Produktion von Texten und Bildern. Daneben spielen aber weiterhin weniger beachtete traditionelle kulturelle Praktiken der Wissensvermittlung und religiösen Unterweisung, nicht zuletzt im Bereich von Laienbildung und Laienfrömmigkeit, eine wichtige Rolle.


Dienstag, 21. Mai 2019

"Die weibliche Jugend verdienet [...] keine geringere Sorge, als man für die Bildung der Knaben erfordert". Mädchenbildung unter konfessionellen Vorzeichen 1500-1800

Prof. Dr. Bettina Braun, Mainz

Welche Möglichkeiten, Bildung zu erwerben, einem Kind in der Frühen Neuzeit offenstanden, hing von verschiedenen Faktoren ab: vom Geschlecht des Kindes (Junge oder Mädchen), vom Stand der Eltern (Adel, Bürgertum, Bauern, Unterschicht), vom Wohnort (Stadt oder Land), aber auch von der Konfession des Gebiets, in dem das Kind aufwuchs (katholisch, lutherisch, reformiert). Der Vortrag thematisiert vor allem die Faktoren Geschlecht und Konfession. Untersucht werden die strukturellen und institutionellen Rahmenbedingungen der Mädchenbildung, aber auch die Inhalte, die den Mädchen in den verschiedenen Schulen vermittelt wurden.


Mittwoch, 5. Juni 2019

Humboldts lange Schatten. Das humanistische Bildungsideal zwischen „quälenden Lateinstunden“ und „überzeitlichen Werten“

Dr. Anna Kranzdorf, Mainz

Hört man den Begriff „Humanistische Bildung“ fallen einem verschiedene Assoziationen ein. Der eine denkt an antike Philosophie und an eine nicht-zweckrationale Bildung des Menschen zum Menschen. Der andere denkt an lebensfernes Pauken von Grammatik und brutale Schlachten in Caesars De bello Gallico.

Dieses scheinbar unauflösliche Spannungsverhältnis begleitete das humboldtsche-humanistische Gymnasium fast von Anfang an. Wie jedoch diese Bildungsidee bis in die jüngere Zeit das deutsche Bildungswesen geprägt hat und prägt, möchte der Vortrag von Anna Kranzdorf aufzeigen. In einem Überblick über die Geschichte des Lateinunterrichts in Deutschland von der Weimarer Republik bis in die Bundesrepublik werden nicht nur interessante Kontinuitäten und Brüche deutlich, sondern auch die Tatsache, dass die Diskussionen stets eng mit gesellschaftlichen Leitvorstellungen zusammenhingen.


Dienstag, 18. Juni 2019

„Donner la jeunesse rhénane un nouveau idéal“ – Neuordnungsansätze der französischen Besatzungsmacht im Bildungsbereich nach 1945

Dr. Andreas Linsenmann, Koblenz

Als Frankreich 1945 zum zweiten Mal binnen weniger Jahre an Rhein und Mosel Besatzungsverantwortung übernahm, war dies mit weitreichenden bildungspolitischen Ambitionen verbunden. Die französische Besatzungsmacht packte unter das Label „Education publique“ nicht nur Schulen, Volkshochschulen, Forschungseinrichtungen und Universitäten, sondern auch den kulturellen Sektor in seiner ganzen Breite. Und das aus gutem Grund, sah die Besatzungsmacht doch in allen diesen Bereichen die Möglichkeit, nicht nur auf Inhalte von Wissens- und Kompetenzerwerb, sondern vor allem auf Werthaltungen, Deutungs- und Verhaltensmuster der Deutschen einzuwirken. In dem Vortrag sollen anhand von Beispielen Leitideen und Umsetzung dieser denkbar breit angelegten Bildungspolitik aufgezeigt werden.


Termine

Montag, 1. April 2019

Mittwoch, 10. April 2019

Dienstag, 7. Mai 2019

Dienstag, 21. Mai 2019

Mittwoch, 5. Juni 2019

Dienstag, 18. Juni 2019

Abschluss: Podiumsdiskussion
(Termin und Ort werden noch bekanntgegeben)


Beginn jeweils um 19:00 Uhr

Veranstaltungsort: Haus am Dom, Liebfrauenplatz 8, 55116 Mainz

Der Eintritt ist frei.
Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Kooperationspartner

Die Vortragsreihe des Instituts für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e.V. (IGL) findet in Kooperation mit dem Erbacher Hof – Akademie und Tagungszentrum des Bistums Mainz und dem Studium generale der Johannes Gutenberg-Universität Mainz statt.